Nur ein Beispiel...

Tagebuch vom 1. Juli 2002


Um 8 Uhr weckte Sarinah mich, weil "da draußen jemand sei". Das war mir nur recht, denn ich wollte zeitig nach Sade fahren, falls dort die Schulgebühren noch zu zahlen wären und die Kinder vielleicht ihre Zeugnisse noch gar nicht bekommen hätten. "Da draußen" war Sahrudin, der aus Senggigi gekommen war, weil er am Samstag sein Zeugnis nicht bekommen hatte, da angeblich seine Gebühren nicht voll bezahlt seien. (Ich hatte aber 12 Monate bezahlt! "Gar nicht bezahlt" hätte ich noch verstanden - wenn sie das nicht notiert hatten. Aber dass sie jetzt behaupten, bei ihn ständen noch 3 Monate offen, kann ich mir nicht erklären.)

Schon kamen die ersten Kinder und ich schickte sie zum Frühstück-Kaufen. Dann kam Amir. Er habe Emis hierher-bestellt, um mit der in die Schule zu fahren - und falls die nicht komme, solle ich mit ihm zu denen ins Dorf fahren. - Meine Chancen, früh nach Sade zu fahren, schrumpften....

Emis kam pünktlich. Einiges besprochen, dann die beiden zur Schule geschickt. - Kein Kleingeld... Und wieder kamen Kinder für ihr Frühstück - und auch dafür hatte ich kein passendes Geld. Schließlich gelang es Amir, zumindest einigermaßen passend zu wechseln.

Die beiden fuhren, die Kinder aßen; ich hatte meine Tasche gepackt und war fertig zum Fahren - da kam Saleh. Der hatte gestern kommen wollen, sich aber bei Emis' Eltern zu lange aufgehalten (und anschließend das Fußballspiel nicht verpassen wollen!). Nun berichtete er über Emis - und wollte natürlich die Videos aus seiner Kindheit sehen, die ich im Computer hatte (den ich schon ausgemacht hatte)...

Um 10 Uhr fuhr Saleh ab und ich endlich auch.

In der Mittelschule traf ich Sahrudin wieder; aber der Lehrer, der letztes Jahr das Geld verwaltete, war heute leider nicht gekommen. Also morgen wiederkommen. Ich traf auch Saipol und Mustadi, die sich fürs nächste Schuljahr anmelden müssen; und Yudi mit seinem Vater für die Anmeldung zur 1. Klasse (= 7. Schuljahr).

Dann fuhr ich endlich nach Sade, kam gegen 11.30 Uhr an.

Auch hier wieder freudige Begrüßung - und sooo voller Vertrauen; als wenn ich zur Familie gehöre...

(Das fällt mir dieses Jahr immer wieder und vor allem rund ums Hotel auf: Ich bin akzeptiert. Nach Jahren der Skepsis - was der Tourist wohl will; ob der die Regeln des Islam beachtet; ob die Kinder bei dem das Richtige essen; ... - fühle ich mich dieses Jahr akzeptiert. Die Kinder kommen voller Vertrauen, zum Spielen oder um Probleme zu besprechen; die Eltern kommen, Väter fragen mich um Rat, sogar die Mütter trauen sich ins Hotel... - Es ist ein gutes Gefühl.)

Opoh und Seman waren schon wieder "kostümiert"; gerade fuhr der Lastwagen vor, der die ganze Musikgruppe zum nächsten Fest bringen würde. (Ich glaube, sie verdienen damit inzwischen ganz gutes Geld.) So traf ich Seman nur kurz am Parkplatz und Opoh ging für ein paar Minuten mit bis zum Haus. - Ein anderes Haus: Aus mir noch nicht bekannten Gründen hatten die Bürgermeister "umsortiert" und aus den Häusern (die wohl alle traditioneller Gemeindebesitz sind?) hatten alle von der Nordseite in kleinere Häuser im Süden ziehen müssen; und die von dort bekamen die schöneren Häuser im Norden. - Opohs Familie gehört zu denen, die früher besser wohnten.

Beri hatte ich gleich am Parkplatz getroffen; er ist jetzt gar nicht mehr scheu, nahm mich sofort an der Hand, führte mich zum Haus - und fragte dort sofort, ob ich sie heute mitnehme - und war auch schon verschwunden, um sich umzuziehen. Seine (= Opohs) Mutter machte Kaffee; Jajar kam mit seiner Mutter, nahm seine Fotos entgegen. Ich besichtigte alle Zeugnisse; und auch hier sind alle mehr oder weniger gut oder schlecht versetzt; keiner sitzengeblieben und keine einzige Fünf!

Es gab viel zu erzählen und ich rechnete ab und erstattete, was die Mütter (teilweise Schulden-aufnehmend) für die Schule der beiden Kleinen bezahlt hatten.

Ich hatte meinen Kaffe fast aus, beide Kinder waren bereit zum Abfahren - da schleppte eine junge Frau einen sich sträubenden Jungen vom gegenüberliegenden Haus heran und gleich über alle Leute hinweg bis vor mich: Den hatte man mir früher schon einmal gezeigt (aber da hatte der Vater nicht gewollt): Falsch bzw. fast-nicht beschnitten; Phimose, Schmerzen beim Urinieren. Nachdem er kapiert hatte (7 Jahre und spricht nur die lokale Sprache), dass ich ihn nicht gleich hier und jetzt beschneiden würde, war er ruhig und recht zutraulich und ließ sich besichtigen: Den werde ich irgendwann möglichst bald ins Krankenhaus mitnehmen oder bringen lassen müssen. (Und dann hörte ich noch - so viel Sassak verstehe ich denn doch! - "und vielleicht zahlt er dann auch die Schule..." - Weil es bei Beri so angefangen hatte: Weil ich früher nur für dessen gr. Bruder gezahlt hatte; und erst durch die versaute Beschneidung hatte ich den Kleinen näher kennengelernt und begonnen, auch dessen Schule zu bezahlen.)

Opoh hatte mir noch gesagt, dass Seman gerne mit zu uns fahren wolle - aber am Donnerstag sei wieder ein Fest, bei dem sie auftreten müssen. Und der noch kleinere Junge, der schon seit zwei Jahren unbedingt mitfahren will (und jetzt wohl endlich alt genug ist), war heute mit der Familie weggefahren. So diskutierte ich nun mit Müttern und Verwandten und Freunden, wann ich die wohl am günstigsten abholen könne, damit sie nicht nur 1-2 Tage bleiben können (d.h., damit ich nicht zwei Tage später schon wieder bis hierher fahren muss!): Freitag.

Rückfahrt mit dem üblichen Mittagessen-Stop in Praya und ein paar Einkäufen in Ampenan. Vor 15 Uhr am Hotel, wo - niemand auf mich wartete; sie waren alle im Meer, kamen dann aber sofort und waren "furchtbar hungrig".

Anschließend Begeisterung: Ich hatte endlich in einem Kopier-Laden Fehlkopien aufgetrieben, deren Rückseite als Mal-Papier taugt, und sofort lagen alle auf dem Bauch auf dem Boden und waren am Malen und Zeichnen.

Dazwischen der übliche Kleinkram: Pflaster auf Füße und Beine, einzelne Münzen in ihren Sparbüchern eintrage; oder auszahlen, weil sich einer einen Drachen kaufen wollte...

Sarinah wollte ins Dorf - und kam gleich zurück: Da draußen stehe der Junge, von dem Yudi mir gestern erzählt habe und der gerne "mer-boss sama Jürgen" - also "gerne Jürgen zum Boss haben" - sprich: eines unserer Kinder werden würde; ob er den reinbringen dürfe. Durfte er. - Einer, der gerade in die vierte Klasse kam und den ich jetzt mal ein paar Tage beobachten werde... - und der uns: Denn manche hören auch nach ein paar Tagen ganz von selber wieder auf, täglich zu kommen.

Später schickte ich alle weg, bis auf drei Stammgäste, die ich mit nach Senggigi nahm. Internet. Dann an den Geldautomaten. Da konnte man Kinderaugen staunen sehen, als die Maschine ratterte und dann 25 Scheine ausspuckte, jeder im Wert eines Tagesgehaltes ihrer Hilfsarbeiter-Väter. (Insgesamt eine halbe Million - im Gegenwert von 62 Euro.)

Dann zu Amir, der gerade vom Fußballspiel kam. Seine Schul-Besuche für Emis waren heute endlich von Erfolgt gekrönt: Sie wird wieder aufgenommen - und sie sieht wohl endlich ein, dass das nur in der 2. Klasse geht und sie nicht in die 3. springen kann. (Mittelschule; also 8. bzw. 9. Schuljahr.) Sie hatten gleich für einen Monat Gebühren bezahlt und nun rechnete er ab - incl. Fahrtkosten usw. Dann gab es noch einiges zu bereden; u.a. den Ärger, dass seine drei jüngsten Geschwister sich noch nicht bei mir gemeldet hatten. Zwar weiß ich, dass sie versetzt wurden; aber ich ärgere mich trotzdem, dass ich von ALLEN unseren Kindern die Zeugnisse vorliegen habe - nur ausgerechnet Amirs Familie sind die einzigen, die mir noch fehlen!

Zurück ins Hotel, wo mich Sarinah sehnsüchtig erwartete. (Er ist ja aus einem entfernteren Dorf, wohnt für die Ferientage fest bei mir und war vorhin mit den anderen zum Fußballspielen gegangen.) Mit ihm warteten Paat - und Aminudin!!! Früher eines der Stammkinder hier aus dem Dorf mit einer Mutter immer ohne Geld - dessen Vater in Malaysia arbeitete und nie Geld schickte. Vor ziemlich genau einem Jahr war der Vater zurückgekommen; Amin war noch ein einziges Mal in teurer neuer Kleidung zu mir gekommen und dann verschwunden. In der Schule hatte ich erfahren, dass die eine Versetzung ins Heimatdorf des Vaters beantragt hatten. Ich hatte gedacht, der sei jetzt versorgt; sicher habe der Vater im Ausland genug verdient, um einen Laden oder eine Werkstatt zu eröffnen... Nun war er hier zu Besuch; zutraulich wie immer; enorm gewachsen (14 Jahre) - und erzählte, dass der Vater aus Malaysia kaum Geld mitbrachte, keine Arbeit habe, ihm nicht einmal die Schulgebühren gab, so dass er bis heute noch nicht sein Zeugnis erhalten habe. (Wegen fehlender 8.000,- Rupien = 1 Euro!!!)

Und jetzt schließt er die Grundschule ab; träumt von der Mittelschule... Aber dazu brauche ich noch mehr Informationen (und sträube mich, weil ich schon wieder in ein weiteres Dorf fahren muss, um dort alles zu erledigen und abzurechnen...)

Abendessen mal 12; anschließend Fernsehen(!) - endlich mal wieder Serien und lustige Filme und kein Fußball. Begeistert blieben die Kinder an der Hotelrezeption, während ich am Computer diesen Tag erfasste und alles abrechnete.

 


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