Tagebuch vom 5. Dezember 2004

Ich hatte gar nicht so viel vor, wollte zwei Landbesitzer treffen, Mails abschicken; wenn Zeit übrig bliebe, meinen Pass mit der Visumverlängerung abholen. So zog ich nach dem Frühstück los: Der erste Landbesitzer war nicht gekommen und Shankars Freund wird versuchen, abends mit ihm ins Restaurant zu kommen. (Kam aber nicht.) Beim zweiten stehen die Zeremonien genau ein Jahr nach dem Tod eines Verwandten ins Haus und er hat erst ab Mittwoch Zeit für mich.
Ich ging ans Internet, dann Geld holen und anschließend zur Bank, weil ich außer lauter Tausendern absolut kein Kleingeld mehr besaß; aber da war Sonntag, die Schalterhalle geschlossen; und der Touristenschalter hatte auch nur ganz wenig Kleingeld.
Vor der Bank kurz in den Park zu den Müllsammler-Kindern; wollte nur schauen, ob es K.'s entzündetem Hals besser gehe. Aber dann stellte Su. mir einen Freund vor, der gestern vom Baum gefallen sei; die Hand sei wohl verstaucht. Der linke Arm war knapp über dem Handgelenk so geschwollen, dass ich auf einen Bruch tippte - und damit war mein Tag mal wieder um-geplant: Zu Fuß zum Bir Hospital, zunächst röntgen lassen, dann zum Gipser. (56jähriger, sehr erfahrener Mann, der mir sehr gut hilft und mir viele Arzt-Besuche erspart.): Gebrochen; nicht verschoben; vier Wochen Gips bis unter den Ellbogen. Dreck-verkrustet wie er war, konnte ich dieses Straßenkind so nicht eingipsen lassen; ließ mir also was anderes einfallen: Kaufte die Materialien und ließ sie zusammen mit der Röntgenaufnahme beim Gipser; nahm den Jungen mit. Später im Hotel duschte er (da die Leitung kaputt war, mit nur 1½ Eimern Wasser, aber wohl über eine halbe Stunde lang: so sehr schrubbte und scheuerte er und war am Ende wirklich ganz sauber); dann gab's Mittagessen; und nach 14 Uhr (nach der Mittagspause des Gipsers) schickte ich ihn alleine los. Später kam er mit noch feuchtem Gips und brachte mir die Röntgenaufnahme. (Und ich hatte ihn das Foto überbringen lassen, dass ich neulich vom Gipser machte und ihm schenken wollte: So wird der sich ganz sicher an den Jungen erinnern und ihm in vier Wochen auch ohne mich und ohne Arzt den Gips wieder abnehmen.)
Doch zunächst gingen wir vom Krankenhaus zu Fuß über den Tundikhel zur Einwanderungsbehörde und ich holte meinen Pass ab. Dann zu Fuß zum Sundhara, wo im Freien eine Fotoausstellung an den Wänden hing: Japaner hatten den Straßenkindern das Fotografieren beigebracht, ihnen Kameras geliehen und sie in ihrem Umfeld fotografieren lassen. Schön. - ABER: Auch ein von dem Jungen mit dem Armbruch aufgenommenes Foto hing dort; und jeder dieser Abzüge kostet je nach Größe zwischen 400 und 700 Rupien; aber er hat keinen Ansprechpartner, der ihm die 425,- Rupien für Röntgen und Gips bezahlt hätte, wenn Su. ihn nicht mir vorgestellt hätte. So hätte ich gerne jemanden gefragt, was der Sinn dieser Fotos ist - und ob der Junge mehr von den 400 Rs. für sein Foto hat - oder mehr von den 425,- für seinen gebrochenen Arm. / Aber es war niemand da, den man hätte fragen können; nur eine Aufsicht, der mir eine Broschüre gab...
Endlich ins Hotel; kurz mit dem Manager gesprochen. (Der Chef sei jetzt da, dusche aber gerade.) Dann aufs Zimmer, Dinesh duschen lassen, geschrieben und abgerechnet.
Es war gerade 13 Uhr und die ersten ca. 8 Kinder waren gekommen, als ich angerufen wurde: Der Chef wolle mich jetzt sprechen. Alle Kinder runter in den Garten; ich auch; mit dem Hotel-Pächter im Hof gesessen. Er war an meiner Arbeit und meinen (Haus-) Problemen sehr interessiert; aber er müsse doch Geld verdienen; die Kinder schaden seinem Image, stören seine Gäste... Er könne mir einen Tisch in den Garten stellen, so dass die Kinder mich dort treffen und dort ihre Gutscheine entgegennehmen... Während ich ihm erklärte, was ich außer Essen-Gutscheine-Austeilen sonst noch so alles tue; und wir darüber auf die Probleme meiner Haus-Suche und die Details meiner Bedürfnisse kamen; kamen mehrere Autos mit scheinbar wichtigen Freunden von ihm. Er fragte, wie lange ich im Haus bleibe: Ja, dann werde er später am Nachmittag zu mir kommen und jetzt erst mit seinen Freunden zu Mittag essen. (Bis zum Abend kam er nicht.)
Inzwischen waren zwei Kinder mit den gestrigen Gutscheinen gekommen; Rajesh (mein Lehrer) war gekommen und wartete. Ich setzte mich ins Gras, zählte die Gutscheine und gab sie gleich wieder aus, ging dann nach oben. Ich hatte gerade die Besprechungen mit Rajesh begonnen, als die Leute aus Pokhara (Herz-OP) ankamen: Wie schon die Frau am Telefon, so machten jetzt beide Elternteile einen sehr vernünftigen, ruhigen Eindruck; keinesfalls Asoziale oder Säufer, mit denen ich Probleme haben würde, sondern einfache Leute, die sich inzwischen medizinisch ganz gut auskannten, alle Unterlagen aus der dortigen Herzklinik mitgebracht hatten.
Doch zunächst kamen so viele Kinder, so viele Abrechnungen, dass mir der Kopf rauchte. Ich fragte die Gurungs, ob sie heute noch was vor hätten, in Kathmandu Freunde treffen müssten: Sie seien noch nie hier gewesen, kennen niemand und hätten Zeit. Also ließ ich sie erst einmal sitzen, machte meine Sachen mit Rajesh fertig. Inzwischen waren zwei Kinder aus der Augenklinik gekommen, berichteten und rechneten ab; N. schickte ich wieder los, seine Brille zu bestellen oder gleich auf sie zu warten (da musste aber Ma. mit, weil N. nicht lesen kann und den richtigen Laden nicht finden würde). Sa. kam mit den Unterlagen vom Besuch seines Bruders (mit der Mutter) in der TBC-Klinik. D.'s Armbruch hatte ich immer noch nicht abgerechnet...
15 Uhr schickte ich H. (weil der die Lodge gesehen hatte) und N. (weil die Vermieterin vielleicht dem Kleinen nicht glauben würde) mit der Gurung-Familie erst einmal los, ihr Zimmer zu belegen und sich einzurichten. (Denn ich hatte Angst, dass die dortige Hotelchefin denken könnte, die kommen doch nicht; und dann das Zimmer jemand anders gibt.)
Ich hatte seit gestern abend nichts gegessen und seit einiger Zeit knurrte mir wirklich der Magen; nach 15 Uhr ließ ich mir etwas holen. Das war aber nicht genug; gegen 17 Uhr war ich wieder recht hungrig, bestellte mir aus dem Hotel-Restaurant eine Hühnersuppe und einen Teller Chips. Aber die kamen erst gegen 18 Uhr; schmeckten gut; hatten aber zur Folge, dass ich um 19 Uhr gar keinen Hunger hatte und aufs Reis-Essen verzichtete.
Ich hatte schon zeitig in der Herzklinik angerufen und erfahren, dass wir recht früh kommen müssen: Es werden pro Tag und pro Arzt nur 40 Tickets ausgegeben; wer zu weit hinten in der Schlange sitzt, muss es am nächsten Tag wieder versuchen.
Dann hatte ich wieder einmal vergeblich den Architekten angerufen; aber der rief nun zurück: Er habe meine Telefonnummer verloren gehabt und erst durch meinen Anruf vorhin im Speicher seines Handys wieder erfahren, wie er mich erreichen kann; er komme morgen.
Dies und jenes; viele Kinder; viele Pflaster; Bhu. kam für Passbilder; später bearbeitete ich diese und Ga. machte am anderen Computer weitere drei Ausweise fertig. (18.30 Uhr ging er in die New Road, die gestrigen Fotos abzuholen, die neuen zu bestellen; traf mich beim Abendessen.)
Vor 17 Uhr kam die Gurung-Familie wieder. Nun war es recht leer und ich konnte ihnen ein bisschen erzählen, was ich so mache und warum ich für sie zahlen kann. Zeigte ihnen unsere Ausweise, erzählte von meinem Zimmer-Problem, zeigte ihnen Fotos des vor zwei Jahren am Herzen operierten Mädchens, informierte sie über Abläufe, Kosten, Risiken, ließ mir viel von ihnen erzählen...
Nach dem Abendessen verbrauchte ich das letzte Stückchen von 10 Metern (!) Hansaplast Meterware, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte. (D.h. 10 Meter vom 4 cm breiten; daneben noch ca. 1,5 Meter von den breiteren Sorten.)
Fünf Kinder mit ins Hotel; sie spielten, ich schrieb. Punkt 22 Uhr waren sie im Bett und sehr bald ruhig. Ich saß noch lange am Computer (und werde doch morgen vor 7 Uhr aufstehen und Punkt 8 Uhr abfahren müssen...)

 


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