Dies ist der Jahresbericht, wie ich ihn im Oktober 2004 ausgedruckt per Post verschickte.
Obwohl dieser Bericht recht lang ist (gedruckt waren es 10 Seiten), ist er doch nur eine "kurze" Zusammenfassung. Über fast 9 Monate Asien-Aufenthalte und inzwischen fast 500 Kinder und Jugendliche in meinen Dateien (für 158 zahlen wir jetzt die Schule!) gäbe es noch so viel mehr zu erzählen...
Wenn Du meine immer aktuellen Berichte nicht regelmäßig gelesen hast, oder wenn Du vielleicht ganz neu auf diesen Seiten bist, findest Du im ARCHIV noch viele weitere Details: Einzelne Kinder und ihre medizinische Behandlung; und die Berichte, die ich als "AKTUELLES" von unterwegs alle paar Tage oder Wochen aktualisiere:
Dort findest Du unter anderem Berichte über
von Jürgen Dahm Hallo !!!
Wie jedes Jahr im September möchte ich Dir auch diesmal über "unsere Kinder" und meine "Arbeit" für sie berichten. Dank der Spenden von so vielen konnte ich das Programm wiederum weiter ausbauen und wir können immer mehr Schüler und Schülerinnen, Kinder und Jugendliche fördern. Im Moment zahlen wir für genau 158 den Schulbesuch (von Vorschule bis Fachhochschule); bei an die 300 Kindern kümmere ich mich zusätzlich um die medizinische Versorgung Auch dieses Jahr habe ich mich bei den wenigsten von Euch für Eure Überweisungen und andere Art von Hilfe und Unterstützung bedankt. Dafür entschuldige ich mich (wieder einmal) und DANKE hiermit jedem einzelnen von Euch ganz herzlich! (Ich habe auch gar keine gute Entschuldigung vorzubringen. Ich habe kein Buch geschrieben, nur eine einzige Gruppe geleitet. - Aber die Zeit reicht trotzdem nie. Wenn die Kinder sie nicht ausfüllen, dann tun das die paar anderen Hobbys, die ich auch noch habe.) Bevor ich Dir von den vielen Ereignissen und einigen wichtigen Neuerungen dieses Jahres berichte, will ich aber mal wieder etwas Allgemeines über meine Arbeit erklären. Denn während ich noch vor einigen Jahren sagte "95% der Spender sind ehemalige Mitreisende meiner Gruppen", so hat sich dies inzwischen verschoben: Viele von Euch haben meine Informationen oder die Adresse meiner Homepage an Freunde und Kollegen weitergegeben. Manche haben zu Hochzeit, Beerdigung oder einem runden Geburtstag um Spenden für unsere Kinder gebeten; ich selbst traf im Herbst 2003 beim Jubiläums-Klassentreffen 30 Jahre nach meinem Abitur viele Mitschüler und sogar einige Lehrer, zu denen ich seit Jahren keinen Kontakt hatte... So viele Leute bekommen meinen Bericht jetzt erst zum ersten oder zum zweiten Mal; viele der Empfänger kennen mich gar nicht persönlich. - Und so möchte ich einige Punkte erklären, die sicherlich für "die Neuen" wichtig sind / die aber vielleicht auch bei "den Alten" in Vergessenheit gerieten.
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Nepal im Winter 2003-2004:Zunächst hatte ich nur eine Woche Zeit; dann würde meine Gruppe ankommen, mit der ich Nepal besichtigen und nach Tibet reisen wollte. So tat ich nur das Nötigste, ließ mir vom Lehrer berichten, räumte mein Zimmer ein, traf die Kinder und Jugendlichen, Schüler/innen ebenso wie Tagesbesucher und Straßenkinder. Als ich am Tag vor Ankunft der Gruppe "Inventur" machte, hatte ich in den ersten 6 Tagen bereits 96 der Kinder und Jugendlichen aus meiner Datei persönlich getroffen; von weiteren 34 traf ich Geschwister, Eltern oder sehr enge Freunde / Heim-Mitbewohner. So hatte ich also bereits über 130 unserer Kinder Informationen aus erster bzw. zweiter Hand (zusätzlich zu den Informationen, die mir unser Lehrer gab über die Schüler/innen, die ich bisher noch nicht traf.) "Ganz nebenbei" hatte ich Hotels und Agenturen für die Gruppenreise besucht und auch noch den Jahresbericht fürs Internet bearbeitet und auf meine Homepage gestellt.
Die Reise nach Tibet verlief reibungslos und bei traumhaftem Wetter. Die Gruppe war harmonisch, keiner wurde höhenkrank und ich denke, alle waren sehr zufrieden. Nach Abreise der Gruppe widmete ich mich wieder voll unseren Kindern. Und so weit diese mir Zeit ließen, ging ich die Abrechnungen des Lehrers über die vergangenen fast 7 Monate durch, die zu meinem Glück immer noch Mukesh für mich in den Computer eingab. Ich überprüfte alles, hatte viel nachzufragen. Dadurch und in Gesprächen mit den Schülern/innen stellte sich heraus, dass der Lehrer seine Arbeit "im Prinzip" recht gut machte: Alle, die zu ihm kamen, waren gut betreut und versorgt worden, waren zufrieden. Nur hatte er sich leider etwas zu sehr auf die Kinder konzentriert, die von sich aus zu ihm kamen; war zu wenig nach meiner Liste vorgegangen, nach der ihm hätte auffallen müssen, dass einige schon seit Monaten kein einziges Schreibheft, keinen Kuli und auch kein Geld gebraucht hatten: Schüler, die keine Lust mehr hatten oder zu Hause Probleme hatten und einfach die Schule aufgaben, waren ihm nicht aufgefallen. Ein Zitat aus meinen Internet-Berichten: Dies haben wir inzwischen korrigiert bzw. abgestellt: Wenn sich ein Kind oder Jugendlicher länger nicht blicken lässt und anderen Schülern aus seinem/ihrem Umfeld nichts bekannt ist, besucht der Lehrer die Schule, dann das Elternhaus. (Und seine Abrechnungen gibt er seit Dezember auch selbst in einen alten Computer ein.) Schulisches schreibe ich hier zusammenfassend für den ganzen Winter 2003-2004:
Aber immer wieder kamen neue Bewerbungen: Kinder brachten Freunde mit, Mütter kamen zu mir ins Hotel; unser Lehrer wurde im Krankenhaus, in den Schulen oder am Arbeitsplatz der Eltern angesprochen. Wir prüfen jedoch sehr kritisch und nehmen längst nicht jede/n. Viele sind uns "nicht arm genug": Wenn der Vater reguläre Arbeit hat und die Mutter arbeiten könnte, lehnen wir gerne ab. Wir zahlen fast nie für alle Kinder einer Familie, sondern nach Möglichkeit für eins, maximal zwei. Und wir bevorzugen Kinder, die bereits zur Schule gehen, und versuchen zu vermeiden, jemanden in die erste Klasse oder gar Vorschule einzuschulen, von dem wir nicht absehen können, ob er oder sie wirklich lernen wird. - Ein Beispiel: Ein Elfjähriger, der früher mal die Schule aufgab, kommt jeden Nachmittag zum Spielen. Seine jüngere Schwester geht zur Schule und kommt nur selten zu uns. Die Mutter kam: Wir sollen den Jungen einschulen. - Nun zahlen wir für das Mädchen (dessen gute Zeugnisse wir gesehen haben); und die Mutter soll von dem dadurch gesparten Geld den Sohn "auf eigenes Risiko" einschulen.
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Nachmittagskinder: Es werden immer mehr! Nach meiner Ankunft im Januar gab ich bereits am zweiten Tag Gutscheine für 75 Mittagessen aus. Im März machte ich mal wieder "Inventur" und schrieb ins Internet: "Von den 366 in meiner Datei erfassten Kindern und Ex-Kindern sind im Moment 188 "aktiv"; d.h. dass sie entweder mehr oder weniger häufig zu mir kommen; oder dass wir ihnen (auch wenn sie nur selten kommen oder nur die Eltern zum Abrechnen kommen) die Schule bezahlen. Die Zahl der Kinder, die jeden Tag ein Mittagessen bekommen, liegt inzwischen bei mindestens 75 und maximal (bisher) 93 Kindern pro Tag." (Jahrelang schickte ich die Jugendlichen, die das Mittagessen des Vortages bezahlen, mit einem 1000-Rupien-Schein (11,76 Euro) los; sie brachten mir einen dicken Stapel der Gutscheine zurück und das passende Wechselgeld dazu. Doch plötzlich kamen sie immer öfter mit der Mitteilung, dass das Geld nicht gereicht habe...)
Leider haben wir wieder viele Probleme mit dem Leim-Schnüffeln. Ein paar der älteren Müllsammler-Kinder sind völlig abhängig und wohl nicht mehr zu retten; das Zeug frisst ihnen die Lunge und das Hirn auf und ich habe es aufgegeben, ihnen das abgewöhnen zu wollen. Zugleich habe ich aber einen ganzen Schwarm von 10- bis 12jährigen, die stark gefährdet sind und die ich davon abzuhalten versuche - manchmal (zumindest teilweise) mit Erfolg. ("Erfolg" heißt, dass ich mich riesig freue, wenn einer eine ganze Woche sauber geblieben ist. Oder wenn ich gehört habe, dass einer bei den Müllsammlern war - und er kommt abends zurück und ich lasse mich anhauchen und er stinkt nicht nach Leim; hat also trotz des "Kontaktes zur Szene" widerstehen können.) Kleiner unangenehmer "Nebeneffekt" ist, dass ich meine Vormittage, die außer zu Arztbesuchen mir alleine gehören sollten, nun auch noch "veröffentlicht" habe, da ich jeden Tag drei bis fünf dieser Kinder auf allen meinen Wegen mit mir nehme, um sie den Versuchungen und dem falschen Umgang fernzuhalten Eltern: Dass die Eltern unserer Schülerinnen und Schüler mich oder den Lehrer besuchen, wenn sie Probleme haben oder Informationen brauchen, ist inzwischen schon ganz normal. Sehr froh bin ich aber, dass sich in letzter Zeit auch immer mehr die Mütter der Nachmittagskinder "trauen" und zu mir ins Zimmer kommen; manche ein einziges Mal, um zu schauen, wo ihr Kind sich rumtreibt; manche aber auch regelmäßig, um nach den Kindern zu sehen, sie nach Hause zu holen, Probleme mit mir zu besprechen oder mir mitzuteilen, dass derjenige heute wieder nicht zur Schule ging (und ich schimpfen oder ihm Angst machen soll).
Computer: Die Kinder sind nach wie vor mit großer Begeisterung dabei. Kaum einmal wurde ich gebeten, Filme oder Fotos zu zeigen (und Computerspiele sind tagsüber ohnehin tabu); alle wollen schreiben lernen im 10-Finger-System. Über eine Stunde warten sie oft darauf, dranzukommen und ihre täglichen 15 Minuten üben zu dürfen. Bald musste ich mich weigern, weiteren Kindern dieses Lernprogramm zu erklären, denn ein Computer reicht nicht, um alle lernen zu lassen. Doch immer ergab es sich mal wieder, dass gerade gar niemand da war, der lernen sollte - und ich ließ mich überreden, wieder einem neuen oder selten kommenden Kind eine Datei anzulegen. Beachtlich fand ich, dass sich einige der Kinder kurz vor meinem Heimflug von ihrem eigenen Geld Disketten kauften: Sie ließen sich das Lernprogramm zusammen mit ihrer *.HIS (der History-Datei, die sich merkt, was der Einzelne schon gelernt hat) auf die Diskette kopieren, mit der sie während meiner Abwesenheit in den Internet-Cafés (15 bis 20 Rupien pro Stunde) weiterlernen wollen. Bald hatte ich über 100 Kinder, die irgendwann einmal mit dem Schreibtraining angefangen hatten. - 100 mal 15 Minuten wären 25 Stunden täglich! Erschwerend kam hinzu, dass ich täglich ab 17 Uhr das Schreibtraining stoppen musste, weil die Jugendlichen auf eben diesem Computer die Mitgliedsausweise (s.u.) erstellen: Ich brauche mehr Computer! Per e-mail bettelte ich bei allen, die ich kenne - zunächst ohne Erfolg. Meinem Bruder gelang es dann über seine Kollegen einige uralte Notebooks aufzutreiben. Und Freunde oder die Verwandten von Freunden nahmen mir über den Sommer bereits drei Notebooks mit nach Nepal. Allerdings sind diese wirklich alt; z.B. ein 386er mit Windows 3.1: Die reichen also tatsächlich nur für den Schreibtrainer. Ein Netzwerk kann ich damit nicht aufbauen und auch keine Fotos bearbeiten oder Ausweise erstellen lassen. Glücklicherweise schenkte man mir gerade diese Woche noch ein viel besseres Notebook (Windows 98 mit 64 MB), so dass ich jetzt wenigstens einen Computer für Bild- und Ausweis-Bearbeitung habe. Denn mein eigenes altes Notebook gab leider in Indonesien den Geist auf und scheint tatsächlich nicht mehr zu reparieren zu sein. |
Wichtige Neuerungen: Mitgliedsausweise für alle unsere Schüler/innen und regelmäßigen Besucher: Die Überlegungen, die zu diesem Schritt führten, kamen aus zwei Richtungen: Zum einen werden gerade die Straßenkinder oft unbegründet und in ganzen Gruppen von der Polizei festgenommen ("weil in der Gegend was geklaut wurde"); oder ein Kind verunglückt und landet im Krankenhaus. In beiden Fällen erfahre ich davon nur, wenn dieses Kind zufällig die Telefonnummer unseres Hotels auswendig weiß (und es die Polizei überreden kann, mich anzurufen); oder wenn andere Kinder zu mir kommen, um mich zu informieren.Zum anderen will ich den Kindern ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl vermitteln. Denn ich halte nichts von der bei allen in Nepal tätigen Hilfswerken sehr beliebten Strafe des "OUT": Ein Kind, das raucht oder Leim geschnüffelt hat, fliegt raus oder darf für eine bestimmte Zeit nicht mehr kommen. - Dann hängt es erst recht unkontrolliert auf der Straße rum, hängt am Leim, gerät an die Drogen ... Andere Möglichkeiten, ein Kind zu bestrafen oder zu sanktionieren, sind sehr beschränkt. Und ich hoffe, die Kinder so stolz auf ihre "ID-Cards" werden zu lassen, dass das zeitweise Einbehalten des Ausweises (ohne das Kind vom Kommen auszuschließen) eine "Strafe" wird, die mir bei meiner Arbeit hilft.
Falls Dich die "Technik" interessiert: Ich habe eine "Visitenkarte" von 5x8,7 cm entworfen; drei davon untereinander kopiert zu einem "Foto" von 10x15 cm. Diese schreibgeschützte Vorlage öffnen die Kinder, speichern sie im Photoshop-Format mit einem langen Dateinamen, der sich aus den Namen der drei zu bearbeitenden Kinder zusammensetzt. Wenn das "Foto" (= 3 Ausweise) fertig ist, konvertiere ich es wieder in JPG mit geringster Kompression, kopieren es in meine Digitalkamera und bringe es ins Fotolabor. Deren Belichtungsgerät belichtet normales Kodak-Fotopapier; es ist also kein Computerausdruck und ich hoffe, dass die Ausweise dadurch relativ fälschungssicher sind. (Jedes Foto kostet knapp 36 Cent; jeder Ausweis also 12 Cent; dazu 5,3 Cent für die Hülle ...) Erste Erfolge zeigten sich schon bald: Seltene Besucher kommen auch aus weiter entfernten Stadtteilen, damit ich sie fotografiere und ihnen den Ausweis machen lasse. Die neueren Kinder wetteifern darum, wer schon lange genug kommt und genug Vertrauen erworben hat, um auch einen Ausweis zu bekommen. Ein langhaariger 17jähriger geriet auf dem Heimweg von unserem gemeinsamen Abendessen in eine Polizeikontrolle und konnte nach Vorzeigen des Ausweises unkontrolliert weitergehen. - Und ein ganz ungeplanter Nebeneffekt: Busschaffner, die nicht so ganz genau hinschauen, halten die Karte für einen Schülerausweis und die Kinder fahren zum halben Preis. Noch ein "Nebeneffekt": Drei unserer Schüler haben inzwischen die Arbeit mit Word und Photoshop so weit erlernt, dass sie die Ausweise selbständig herstellen. Ich kopiere nur die Passbilder der zu bearbeitenden Kinder in das einzige Verzeichnis meines Computers, auf das sie von "ihrem" Computer aus Zugriff haben; und sie montieren die Fotos und die Namen (in Englisch und Nepali) in die vorbereitete Datei, schieben alles an die richtigen Stellen, speichern es ab... Handy: Ich habe noch nie ein Handy besessen und bin eigentlich kein Freund davon. Aber mit dem Ausstellen der Ausweise entwickelte sich die Idee ganz von selber: Auf den Ausweisen stand die Telefonnummer des Hotels, wo ich nur fünf Monate im Jahr und täglich erst ab 13 Uhr zu erreichen bin. - Ich hatte gedacht, viele Deutsche hätten alte Handys, die sie nicht mehr brauchen; aber auf meinen Aufruf reagierte zunächst niemand. Ein einziges Handy bekam ich dann doch noch geschenkt - aber das sollte für einen ersten Versuch ja auch ausreichen.
Eigentlich war ich davon ausgegangen, das Handy kaum mal zu benutzen; ich wollte nur für Notfälle erreichbar sein und hatte mich in erster Linie erkundigt, wie lange die Prepaid-Karte gültig bleibt, wenn man die Einheiten nicht verbraucht. - Aber dann kam es ganz anders! Seit diese neue Telefonnummer auf den Ausweisen steht, notierten Väter, Mütter und LehrerInnen sich diese. Vor allem Mütter riefen immer wieder an: Wann die Tochter, die noch nicht nach Hause kam, bei uns aufgebrochen sei, ob der Sohn bei uns übernachte oder sich draußen rumtreibe, ob ihr Kind bei uns zu Abend esse oder schon auf dem Heimweg sei... Kinder, die einen Unfall hatten, gingen ins nächste Geschäft und mit dem so "offiziell" wirkenden Ausweis und der immer erreichbaren Nummer wurde ich sofort informiert. Eigenes Haus? Die seit Jahren immer weiter steigende Zahl der Kinder hatte leider zur Folge, dass die Hotelchefin immer häufiger schimpfte, immer unfreundlicher wurde: Auch 80 Mal Hände waschen verbrauche mehr Wasser als früher 20 Kinder duschen. Und der Lärm und der Schmutz ... - Ab Herbst 2004 werde ich in diesem seit Jahren lieb gewordenen großen Zimmer mit seinem großen Vordach nicht mehr wohnen dürfen.
Als wir im Vorjahr nach einem Unterrichtszimmer für den Lehrer gesucht hatten, war mir unter anderem ein "Haus" angeboten worden, das für den Zweck viel zu groß und auch zu teuer war - das mir aber seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging: Ein Schuppen (oder ein "Loft"?); 70 Quadratmeter ohne Zwischenwände, Wellblechdach. Das schaute ich mir nun wieder an, sprach mit dem Besitzer. Diesmal log ich nicht und sagte ihm gleich, dass dort bis zu 90 Kinder täglich zu Besuch kommen werden. Aber obwohl sein eigenes Haus auf dem gleichen Grundstück steht und er den Lärm ganz sicher mitbekommen wird, ließ er sich erstaunlicherweise nicht abschrecken. Doch dann musste er noch mit seiner Familie beraten; dann war der derzeitige Mieter nicht zu erreichen und ich konnte das Haus nicht von Innen besichtigen... Die letzten Tage vor meinem Heimflug waren recht nervenaufreibend. Aber schließlich hatte ich einen Fünf-Jahres-Vertrag in der Tasche und schrieb ins Internet: Es hat sich viel getan, seit ich dies hier schrieb. Dieses Haus konnte ich nicht beziehen! "...schwanken meine Empfindungen vom einen Extrem zum anderen: Einmal frage ich mich, ob ich verrückt sei, ... - Wie viel Arbeit und wie viel Geld werde ich da noch hineinstecken müssen? Werde ich den ganzen Herbst nur mit Bauen und Einrichten verbringen und gar keine Zeit für die Kinder haben??? (Denn ... Zwischenwände und alles Weitere "muss" ich selber einbauen lassen.)
Zum Anderen "tanze" ich in meinen Träumen, endlich etwas "Eigenes" zu haben; denn ich DARF Zwischenwände und alles Weitere nach meinen eigenen Wünschen einbauen lassen. Ich plane zur Zeit ein Unterrichtszimmer, ein Spielzimmer, einen Lagerraum, usw.). Vor allem in den letzten Tagen träumte ich von dieser Zukunft: Nie mehr ein Hotelzimmer räumen zu müssen; nie mehr alle meine Sachen in Kisten und Koffer zu verpacken. Ich werde viele Schränke haben und bei meiner Abreise einfach alles abschließen. Und wenn ich wiederkomme, werde ich nicht eine ganze Woche damit beschäftigt sein, alles wieder auszupacken und einzuräumen; - einfach die Schränke aufschließen und loslegen..." |
Indonesien im Sommer 2004:Für Anfang Mai hatte ich mal wieder den billigsten Flug gebucht: China Airlines mit Umsteigen in Taiwan. Allerdings hatte ich mir keine Gedanken über die genaue Route gemacht und so war ich überrascht, als wir von Frankfurt Richtung St. Petersburg flogen! Und da die Fluggesellschaft von Taiwan nicht über die Volksrepublik China fliegen darf, ging es bis ins fernste Sibirien, fast bis nach Japan und dann über Südkorea nach Taiwan! (Von dort dann schnurgerade nach Süden; über Manila und Borneo nach Bali.)
Nach wenigen Tagen Auspacken und Eingewöhnen fuhr ich wieder nach Candi Dasa in Ost-Bali, wo ich Urlaub machen, lesen und schreiben wollte. Und natürlich besuchte ich von dort aus unsere balinesischen Schülerinnen und Schüler. Ich rechnete die im Vorjahr bei ihnen gelassenen Gelder ab und erfuhr (nur mündlich; aber ich glaube ihnen) die Noten der Zwischenzeugnisse vom Januar. Nur aus meiner "ganz faulen" Woche wurde leider nichts: Kadeks Spezialschuhe waren so verschlissen, seine Prothese viel zu kurz und auch kaputt. Glücklicherweise gibt es eine neue Umgehungsstraße von Klungkung direkt nach Sanur. So konnten wir in Candi Dasa wohnen und je einmal zum Bestellen und zum Abholen der Prothesen Denpasar in einem Tagesausflug erreichen. Meine Ankunft auf Lombok erstaunte selbst mich: Nach wenigen Minuten waren bereits 15 Kinder in meinem Zimmer, bis zum Abend hatte ich schon 35 getroffen. ("Jürgen ist nach Hause gekommen!" sagte eines der Mädchen.) // Eine weniger schöne Überraschung bereiteten mir meine technischen Geräte. Seit Candi Dasa ließ sich das alte Notebook (auf dem die Kinder lernen sollten) nicht mehr einschalten; mit Ankunft auf Lombok gab meine Armbanduhr den Geist auf; und wenige Stunden später die Videokamera. Keines dieser Geräte ließ sich (obwohl es dort gute Spezialwerkstätten gibt) reparieren. (Die Videokamera hatte noch Garantie und ist inzwischen wieder in Ordnung; eine neuen Uhr kaufte ich mir vor Ort.)
Den üblichen Tagesablauf auf Lombok sowie mein Vorgehen bei der Auswahl neuer Schüler/innen beschrieb ich im Jahresbericht 2003. Dies will ich hier nicht schon wieder schildern. In den nächsten fünf Wochen verbrachte ich die gemütlichste Zeit des ganzen Jahres. Ich sammelte Informationen über alle Kinder und Jugendlichen, besuchte die Familien, machte neue "Passbilder" für meine Datei. Und mit bis zu 35 Mittagessen täglich und durchschnittlich 30 Abendessen gab es auch genug zu tun. Aber es war alles keine "Arbeit", ließ mir viel Zeit, um zu lesen, zu spielen, im Garten oder am Strand zu sitzen. Medizinisch hatte ich mal wieder den ganzen Sommer extrem wenig zu tun: Mehrere Zähne gefüllt; - und einem 14jährigen musste ich leider bereits einen bleibenden Zahn ziehen lassen. Mumps ging wie eine Epidemie über Wochen durch die Schulen; aber da gab es nichts zu behandeln, nur viel zu erklären. 3 schwerhörige Kinder ließ ich endlich untersuchen; aber die haben kaputte Trommelfelle und solange sie nicht aufs Schwimmen verzichten, werden diese Ohren sich immer wieder entzünden. Mehrmals Hautpilz, einen Armbruch. Sonst gab es nicht viel zu tun. Große Freude bei der Zeugnisausgabe: Am 3. Juli gab es die Versetzungszeugnisse - und von diesem Tag bis zu meiner Abreise hatte ich kaum noch Freizeit. Zunächst ließ ich mir von allen (auch den vielen, die sich inzwischen neu um Hilfe beworben hatten) die Zeugnisse bringen und gab alle Details in die vorbereiteten Tabellen ein. Schon zwei Tage später begannen die Anmeldungen, dann Prüfungen, dann Orientierungstage für die Schüler/innen, die in die Mittelschule wechselten. (Und ich musste diesen immerhin 15 Kindern/Jugendlichen Gelder mitgeben, abrechnen, beim Ausfüllen der Formulare helfen...) Als Beispiel kurze Beschreibungen zu einigen (wenigen) der neu aufgenommenen Schülerinnen und Schüler:
Schon seit einer Woche hatte ich jedesmal, wenn es mir gelang, ganz alleine in die Stadt zu fahren, einen ganzen Karton Schreibwaren hinter mich aufs Motorrad schnallen lassen. Nun stapelten sich unter meinem Bett mehr als 1300 Schreibhefte, je 5 Dutzend Lineale, Kugelschreiber, Radierer, Spitzer, usw. Dazu Buntstifte, Filzschreiber, Malhefte in verschiedenen Größen ... Wenn ich Dir jetzt sage, dass ich in zwei Wochen mehr als 11 Millionen Rupien für die Kinder ausgab, dann musst Du Dich nicht unbedingt nach dem Wechselkurs und dem Gegenwert erkundigen: Ich möchte Dich vielmehr bitten, Dir Folgendes zu überlegen: Eine Schuluniform kostet 30.000,- Rupien; und ein Bleistift im Großhandelsgebinde nur 209,- Rupien - und wie viel Arbeit macht es und wie viele Buchungspositionen ergibt es, mit solchen (kleinen) Beträgen 11 Millionen zu verbrauchen und abzurechnen. Aus meinem Tagebuch: Als nach zwei Wochen die Ferien zu Ende gingen, alle wieder in der Schule waren und ich Montag Morgen ganz alleine in meinem Hotelzimmer saß (und für ein gemütliches westliches Frühstück nach Senggigi fuhr), dachte ich wirklich, einiges geleistet und das Wichtigste geschafft zu haben. Aber es nahm noch lange kein Ende. - Im Internet schrieb ich über diese Zeit: "... und abends war ich so müde, dass ich einmal am Computer und zweimal auf der Bettkante sitzend schon gegen Mitternacht einschlief und erst gegen 5 Uhr aufwachte und die Lampen ausmachte." Verspätete neue Schüler/innen; einer wollte die Schule wechseln, hatte aber sein Zeugnis verloren; ein anderer hatte sich zu spät angemeldet, war an der Schule seines Wunsches nicht angenommen worden, wollte jetzt unbedingt wechseln.
Schulen luden die Eltern zu Informationsveranstaltungen ein - und die Kinder schreib-unkundiger Eltern baten mich, als "Erziehungsberechtigter" daran teilzunehmen. (Eine Mittelschule, an der wir für 17 Jugendliche zahlen, adressierte das Schreiben sogar direkt an "Mr. Jugen; den Verantwortlichen für die Gruppe ...") Langsam wurde es gemütlicher, ich kam wieder zum Spielen und zum Lesen. Aber immer noch fuhr ich oft in die Stadt und etwa dreimal wöchentlich zu einer Schule. Diese hatten inzwischen die Schulgebühren (bzw. deren jährliche Erhöhung) festgesetzt und so begann ich, überall gleich für das ganze Schuljahr zu zahlen. Zum Abschluss des indonesischen Sommers - und als Zusammenfassung eines ganzen Jahres - etwas "Statistik": Am 10. August feierte ich mit den Kindern mein ganz privates kleines Jubiläum: Heute vor genau 20 Jahren war ich zum ersten Mal auf der damals noch recht unbekannten Insel Lombok angekommen. In nur 3½ Tagen hatte ich mich so in die hiesigen Menschen und ihre Mentalität verliebt, dass ich bereits im September neue Gruppenreisen für den kommenden Sommer vorbereitete, mir im Dezember ein Lehrbuch der indonesischen Sprache kaufte. - Seitdem war ich jedes Jahr hier. Seit Anfang August hing ein Plakat neben der Tür zu meinem Zimmer, das allen mitteilte, wann ich abreisen werde; und das sie für den letzten Sonntag zu einem großen Treffen einlud. Ich stellte alle Schüler einander vor, machte die Neuen mit Amir bekannt, der sie während der neun Monate meiner Abwesenheit versorgen wird. (Sein Sparbuch hatte ich längst gut gefüllt.) Ich erklärte (wieder einmal) die Regeln, die Abrechnungen; was wir zahlen und was nicht. Noch ein Abschied: Für den 24. August hatte ich meine Abreise angekündigt - sie aber erst für den nächsten Tag geplant. Das ließ mir einen Tag Zeit ohne Abrechnungen, ohne Fahrradreparaturen, ohne Bücherbestellungen. - Zeit zum Packen. Auf Bali blieben mir noch 10 Tage. Wieder besuchte ich alle Schüler/innen, rechnete im Mai hinterlegte Gelder ab, deponierte Geld, das ihnen bis ins nächste Jahr reichen muss - und erfuhr nur gute Ergebnisse: Einer schloss die Oberschule ab und fand bereits Arbeit. Einer wurde nach gutem Abschluss der Mittelschule ohne Aufnahmeprüfung an der Fach-Oberschule mit Fachrichtung Automechanik angenommen. (Mit den vielen Praktika dort wird er nach drei Jahren sofort arbeiten können und keine Fachhochschule mehr besuchen müssen.) Und auch die vier anderen Schüler/innen wurden mit recht guten Noten versetzt.
Seit 4. September bin ich wieder in Deutschland. Am 10. Oktober werde ich nach Nepal fliegen. |
OrganisatorischesAuch dieses Jahr endet mein Bericht mit "Organisatorischem" und ein bisschen "Werbung": Geplante Reisen Ich bin ja kein Reiseveranstalter. Es gibt keinen Katalog und kein festes Angebot, so dass Du einfach eine Reise buchen könntest. Wenn Du aber mit einem Kreis von Freunden eine Reise in eines der Länder, die ich so liebe, planst, will ich gerne Euer Reiseleiter sein und auch alles vorbereiten und buchen. (Oder nur vorbereiten, falls Ihr mit wenigen Personen ohne meine Begleitung fahren möchtet.) Zur Zeit habe ich gar keine Gruppen geplant. Auch für die bereits angebotene Reise nach Nepal und Tibet im Oktober 2005 hat sich bisher noch niemand interessiert. Ich weiß, dass man zur Zeit über Nepal und Indonesien viel Negatives liest und hört. Ich kann Dir aber versichern, dass vieles übertrieben wird und dass es in beiden Ländern Gegenden gibt, die man problemlos bereisen kann. Wenn Du also Interesse hast, melde Dich bitte; ich arbeite Euch gerne eine Reise aus. E-Mail / Homepage / unsere Kinder im Internet Hier standen in der gedruckten Version vor allem Informationen für alle, die meine Homepage noch nicht besucht haben oder deren e-Mail-Adresse ich nicht kenne. Kontonummer Wenn Du helfen kannst und willst, daß ich so weiterarbeiten kann wie bisher (oder noch mehr): Dann notiere Dir bitte meine Kontonummer: Konto Nummer 34095671 (Jürgen Dahm)
Danke !!! Und wieder einmal muß ich erklären: Ich freue mich auch über Post (mail, usw. ...), wenn kein Scheck beiliegt ! Damit sage ich wieder einmal Tschüß! |
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