Die Informationen hier können nicht vollständig sein. Sie gehen oft davon aus, daß Ihr die Vorgeschichte kennt.
Bitte lest die Jahresberichte vom September 2001 und September 2002 und die genaueren Berichte, auf die dort hingewiesen wird.
Oder geht über die Schaltfläche "Inhalt" ins Archiv der "Ergänzungen zu den Jahresberichten", in denen ich während der Reisen immer ganz aktuell berichtete.
(Von unten nach oben zu lesen!)
29.8.2003: Gestern früh landete ich nach einer langen Nacht im vollen Flugzeug in Frankfurt. Die letzten Tage waren mit "dem üblichen Kleinkram" (Sortieren, Packen, Einkäufen, Schreibkram) wie im Flug vergangen. Kadek hatte ich am vorigen Freitag mit nach Denpasar genommen, und gleich nach unserer Ankunft hatten wir sein linkes Bein und den rechten Fuß beim Prothesenmacher abgegeben. Fünf Tage hatte er bei seinen Verwandten in Denpasar gelebt, wo es ihm zwischen Gleichaltrigen besser gefällt als bei mir im Hotel; dann konnten wir (am letzten Abend vor meinem Heimflug) seine reparierten, verlängerten und völlig überarbeiteten Prothesenteile wieder abholen. Am Sonntag wird einer seiner Onkels ihn zurück in sein Dorf bringen.
Sonst gibt es aus den letzten Wochen nicht viel zu Berichten.
Wenn ich die letzten vier Monate, die ich in Indonesien verbrachte, rückblickend zusammenfassen soll, fallen mir vor allem diese Fakten ein:
1) Noch nie war ich drei Monate ununterbrochen auf Lombok. Ich habe diese Zeit sehr genossen. (Früher hatte ich immer wegen irgendwelcher Operationen oder - als ich noch kein Sozial-Visum hatte - wegen der Visumsverlängerungen nach Bali oder nach Singapur fahren müssen.)
2) Noch nie war ich so selten bei Ärzten oder im Krankenhaus. Die Parkwächter und die Suppen-Verkäufer vor dem staatlichen Krankenhaus fragten mich schon, was denn los sei. - Während ich früher mindestens einmal pro Woche - und bei stationären Behandlungen jeden Tag - dort vorfuhr, hatte ich dieses Jahr in drei Monaten nur zwei Zahnfüllungen, zweimal Hautpilz und einen Armbruch zu versorgen.
3) Ich war faul. Habe sehr viel mit der virtuellen Modelleisenbahn gespielt, sehr viel mit den Kindern gespielt - und sooo vieles, was ich mir zum Lesen, Schreiben, Lernen oder Bearbeiten mitgenommen hatte, wieder einmal nicht erledigt. - Und habe es genossen.
4) Der Lehrer, den ich für unsere Kinder in Nepal angestellt habe, scheint seine Sache sehr gut zu machen. Die tägliche Hausaufgabenhilfe in unserem kleinen, angemieteten Zimmer wird gut besucht; Nachhilfe bekommen unsere Kinder aus einer Hand (statt über die Stadt verteilt bei verschiedensten Lehrern und Lehrerinnen); und ich bekomme alle 1-2 Wochen einen Bericht über Zeugnisse und Noten, Verhaltensauffälligkeiten, medizinische Probleme und anderes. (Es scheint alles gut zu laufen und es gibt nichts Wichtiges, was ich Euch hier berichten müsste.)
Nun will ich noch einmal meine über 200 digitalen Aufnahmen dieses Sommers durchsehen und Euch auf einer Extra-Seite mit Fotos einige davon nachreichen (und kommentieren), die Ihr bisher nicht zu sehen bekamt.
Und damit verabschiede mich bis Ende September in Nepal. (Am 27.9. fliege ich; ab ca. 30.9. werde ich hier wieder schreiben.)
22.8.2003: Wie schrieb ich gestern in einer Mail an meine Mutter: "Mein Kopf ist fast so voll wie mein Computer." - Dass ich Euch hier schon drei Wochen nicht berichtete, liegt nicht unbedingt daran, dass mir die Zeit nicht reicht; sondern dass mein Kopf nicht ausreicht und mir die schönen Formulierungen, die ich Euch hier gerne präsentieren würde, einfach nicht aus den Fingern laufen...
So will ich Euch zumindest einen kleinen Zwischenbericht geben:
Am Sonntag war der indonesische Unabhängigkeitstag (17.8.1945), zu dem sich die Feiern und Zeremonien vom 14. bis zum 18. August zogen.
Am Samstag und Sonntag habe ich gepackt, geputzt und sortiert, habe einen kleinen Koffer, eine Reisetasche und einen Pappkarton bei Amir deponiert. (Schnorchelausrüstung, Spiele, Puzzle, ein Mikroskop, Lombok-Karten und ein paar Bücher; Medikamente und Verbandmaterial, das ich noch nächstes Jahr benutzen kann.) Und viel Geld auf dem Sparbuch und einen Karton Schreibwaren im Zimmer von Mardin, der die nächsten 9 Monate für unsere inzwischen 37 Schüler/innen sorgen wird.
(Da Euch die Rupien-Preise nichts sagen und der Wechselkurs alles verfälscht, rechne ich Euch die Preise mal in die Monatsgehälter von "normalen" Polizisten um:)
11 Monatsgehälter auf dem Sparbuch; 0,3 Monatsgehälter Schreibwaren-Vorräte.
Am Montag verabschiedete ich mich (nach drei ununterbrochenen Monaten) von Lombok. Am Dienstag und Mittwoch besuchte ich von Candi Dasa aus unsere Schüler und Schülerinnen im Osten Balis und deren Familien:
Bei der Familie des verkrüppelten Kadek (4. Klasse) und seines Bruders (Mittelschule) rechnete ich die im Mai deponierten Gelder ab und deponierte weitere 0,5 Polizisten-Monatsgehälter für Ihre Ausgaben bis zum kommenden Mai.
Bei dem anderen Kadek - der wider Erwarten nach dem schlechten Zwischenzeugnis alles aufgeholt hatte und mit erstaunlich guten Noten in die zweite Klasse der Mittelschule versetzt wurde - hinterließ ich 0,4 Monatsgehälter.
Richtig teuer wurde es bei der Familie an der Fledermaushöhle, bei der wir inzwischen für drei Kinder bezahlen: Ein Mädchen in der Mittelschule; und je einen Jungen und ein Mädchen in der Oberschule: Mai und August addiert hinterließ ich bei dieser Familie den Gegenwert von 3,6 Monatsgehältern eines Polizisten! - Und da fragt man sich, wie ein Hilfsarbeiter je die Chance bekommen könnte, seinen Kindern eine Ausbildung zu finanzieren. - Und ärgert sich immer mehr über die korrupten Lehrer (die man aber auch nicht anklagen kann: Weil eben auch ihre Gehälter eigentlich nicht ausreichen...), die immer mehr verschiedene Schuluniformen vorschreiben - die man nicht in der Stadt kaufen darf, sondern in der Schule zu überhöhten Preisen kaufen muss.
Wenn ich Euch jetzt noch verrate, dass eine Schuluniform-Krawatte ca. 0,45% eines solchen Monatsgehaltes kostet; ein Monat Schulgebühren zwischen 2% und 4%; ein Dutzend Hefte 1,5% - und dass ich (bis zu eben diesen 3,6 Monatsgehältern) jeden einzelnen Posten abrechne, überprüfe, Quittungen verlange... - Dann könnt Ihr vielleicht verstehen, warum weder meine Zeit, noch mein Kopf ausreichen, all dies zu erledigen und zwischendurch auch noch "schöne" Berichte zu schreiben...
Gestern in einer Woche werde ich wieder in Deutschland eingetroffen sein. Dann schreibe ich Euch noch einen letzten Bericht. Danach wird es fünf Wochen Pause geben, bevor ich wieder nach Nepal fliege...
30.7.2003: Die Zeit vergeht ... - ich kann es gar nicht fassen...
Es geht mir sehr gut (so lange ich nicht daran denke, dass ich schon bald wieder hier abreisen muss); und ich hoffe, auch Euch!
Nachdem ich die Kinder nun schulisch so weit versorgt habe, will ich auch Euch (falls Euch solche Details interessieren) etwas genauer informieren. Dazu habe ich die Excel-Tabelle, in der ich mir alle Zeugnisse (Noten, Fehltage usw.) notierte, etwas umgestellt und mit Kommentaren und Erklärungen zum indonesischen Schul- und Notensystem versehen. Wenn Ihr die Details über all unsere Schützlinge studieren wollt, könnt Ihr Euch diese Tabelle (36,5 KB) hier herunterladen. (ACHTUNG: Wenn Ihr diesen Link anklickt, wird sich die Tabelle in Eurem Internet-Explorer öffnen. Wenn Ihr sie auf Eure Festplatte speichern und in Ruhe anschauen wollt, dann klickt den Link mit der rechten Maustaste an und anschließend auf "Ziel speichern unter ...") (Außerdem öffnet sich im Explorer sofort die Tabelle und Ihr müsst zu den Erläuterungen blättern; wenn Ihr es von der Festplatte öffnet, sollten die Erläuterungen vorne liegen.)
Eine interessante Entwicklung der letzten Wochen will ich Euch noch berichten:
Aufgrund der kulturellen Traditionen und der religiösen Gewohnheiten kamen immer nur sehr wenige Mädchen zu mir: Man geht nicht zu einem Mann ins Hotelzimmer; man geniert sich zwischen all den Jungs, die dort spielen; und die Mädchen sind zu Hause viel mehr eingebunden (und auch bewacht und behütet) als die Jungs, die viel mehr Freizeit und auch Freiraum haben. So kamen zwar die Schülerinnen zum Abrechnen, blieben aber nie länger als nötig; und Mädchen die "einfach so" und zum Spielen kamen, waren ganz selten. Wenn dann mal zwei für einige Tage gekommen waren, dann musste die eine wieder zu Hause helfen, die andere traute sich nicht, ganz alleine zu kommen...
Abendessen auf Lombok; mit mehr Kindern - und mit mehr Mädchen als früher.
Seit ich mit dem Schuljahrswechsel begann, die Grundschule für die neunjährige Schwester eines unserer (männlichen) Stamm-Kinder zu bezahlen, begann auch sie, uns täglich zu besuchen. Zunächst fast jeden Tag mit einer anderen Freundin - die inzwischen fast alle zu Stammgästen geworden sind und nun auch die Mädchen mitziehen, die ich schon so lange kenne und die doch immer nur so selten kamen.
Zum Anderen bringen immer mehr unserer immer älter werdenden Stammkinder ihre jüngeren Geschwister mit - und sei es nur zum Mittagessen, weil es zu Hause nichts gibt. Und so habe ich nun eine ganze Gruppe von Kindern zwischen 6 und 9 Jahren, die regelmäßig zum Essen und zum Spielen kommen.
Eine ähnliche Entwicklung fand beim Abendessen statt: Bisher hinderten viele Faktoren einzelne Kinder, mit uns zu Abend zu essen; die wichtigsten: Dass sie zu abgelegen wohnen und sich nach dem Essen im Dunkeln nicht auf den Heimweg trauen. Und die Tatsache, dass der Warung, in dem wir essen, einer balinesischen (hinduistischen) Familie gehört; und obwohl die Frau seit 20 Jahren davon lebt, auf Lombok und für Moslems zu kochen, glaubten viele Kinder (bzw. deren Eltern oder erwachsene Geschwister) nicht, dass es hier wirklich für Moslems geeignetes Essen gibt.
Ob es nun das wachsende Vertrauen zu mir ist - oder schlicht die zunehmende wirtschaftliche Not?: Plötzlich dürfen immer mehr Kinder mit uns zu Abend essen; und bei den weiter entfernt wohnenden machen sich Vater oder Mutter die Mühe, in der Nähe zu warten oder zur richtigen Zeit zu kommen, um ihre Kinder nach Hause zu holen.
Während wir in den ersten 1½ Monaten meines Aufenthalts unter der Woche meist zu acht zu Abend aßen, so sind es jetzt jeden Abend zwischen 20 und 26 Kinder - und etwa ein Viertel davon sind Mädchen.
21.7.2003: Ich komme nicht einmal mehr zum Schreiben ...
In der letzten Woche habe ich über 40 Kindern und Jugendlichen Schuluniformen, Taschen und Schuhe gekauft (einmal mit 22 Kindern und Jugendlichen auf einmal in einem gecharterten kleinen Linienbus). In den letzten 3 Tagen gab ich über 850 Hefte und viele andere Schreibwaren für das heute beginnende neue Schuljahr aus (und habe alles gebucht und abgerechnet).
Und so schicke ich Euch hiermit einfach einen Auszug aus meinem gestrigen Tagebuch:
20.07.03
Gemütlich aufgewacht; fühlte mich sogar ausgeschlafen (obwohl ich erst kurz vor 3 Uhr ins Bett gegangen war) - und hatte ja auch genug vor.
Doch zunächst Frühstück; - es kamen 28; unter anderem, weil sie hofften, dass ich schon jetzt die Schreibwaren ausgeben würde. Das tat ich aber nur an zwei aus Senggigi, damit die nicht lange warten oder noch einmal kommen müssen; dann kam noch eine; dann wollten welche Pflaster... Es sah mal wieder so aus, als würde nichts aus der geplanten "Gleich-nach-dem-Frühstück"-Fahrt in die Stadt.
Als ich gerade fertig war; der Computer schon zu - kam wieder einer aus Senggigi. Der musste nun aber warten; Pech gehabt.
Mit dem großen I. und A. W. in die Stadt, dem einen alle Kleidung fürs islamische Internat gekauft, dem anderen nur die noch fehlende Moslem-Uniform.
Dann hatte ich die beiden eigentlich per Linienbus nach Hause schicken wollen, weil ich einen weiteren Pappkarton voll Schreibwaren transportieren musste. Jedoch fiel mir ein, dass der Großhändler wohl Sonntags nicht öffnet. "Nur zum Nachschauen" nahm ich sie doch mit. Und dann war doch geöffnet, ich kaufte noch einmal 15 Dutzend Hefte und vieles andere - und dann war es gar nicht so einfach, zwei Jugendliche UND den Karton auf dem Motorrad nach Hause zu bringen.
Dort wurde ich von vielen erwartet - und sorgte erst einmal für Ruhe, Disziplin und Geduld. Erst mal Fegen, dann Kaffee machen; ich ließ es ganz langsam angehen. Dann ließ ich die Kinder die Kartons schleppen, öffnen, die Hefte u.a. sortiert hinter mir aufstapeln - und machte klar, dass sich die Reihenfolge weder nach einer Lotterie noch nach dem größten Geschrei richtet, sondern stur nach meinem Computer. (Die langjährigsten Kinder ganz vorne ...)
Und es lief erstaunlich und erfreulich diszipliniert. Die Nachmittagskinder konnten es kaum erwarten; und die ganz Kleinen wollten immer ganz vorne stehen und jedes einzelne Heft begutachten, wurden aber von den Älteren ganz gut kontrolliert.
Bis zum Mittagessen hatte ich die meisten bedient - und bis zum späten Nachmittag hatte ich 62 Dutzend Hefte ausgegeben; die 3 Dutzend am Morgen (zusätzlich zu den vorhandenen) gekauften Lineale waren aus; von der 40er Packung Radierer waren noch wenige übrig - und auf dem Einkaufszettel für morgen stehen u.a. weitere 100 Hefte, 27 Packungen Buntstifte und vieles andere, was heute nicht reichte.
Aber ich hatte sehr gut vorbereitet, brauchte in den Buchungen, die ich gestern Abend machte nur hier und da eine Zeile zu ändern oder einen Artikel zu löschen. Dennoch war es nach 16 Uhr bis ich alles gesäubert, nachgezählt und nachgerechnet hatte und einigermaßen fertig war. - Kaputt und müde.
Dann tat ich nur noch Kleinkram. Sogar für Eisenbahn und Motorradrennen (Computerspiele) war ich zu kaputt; setzte mich mal eine Weile draußen in den Sessel.
Nachzügler kamen; die üblichen Kinder; die üblichen Gespräche; kleine Streitereien. In Abständen zwischen 5 Minuten und 30 Minuten muss ich einem Kind seinen Namen in das 10-Finger-Lernprogramm eingeben, dazwischen Pflaster wechseln; immer wieder Fragen und Erklärungen, wann ich die fehlenden Sachen kaufe und wann sie die bekommen. Schnell war es Abend; die letzten zwei Kinder schickte ich zum Koranunterricht. Dann duschte ich B. (der beide Arme gebrochen hat) - der immer jammert, dass ich das nur alle zwei Tage tue, weil er gewöhnt ist, 2-3 Mal am Tag zu duschen.
Bis ich dies hier geschrieben hatte, waren bereits die ersten Kinder vom Koranunterricht zurück und bald gingen wir essen.
8.7.2003: Mein letzter Bericht endete "... die Arbeits- und Ausgaben-reichste Zeit meines Indonesien-Aufenthaltes...". Und genau so ist es. Tag und Nacht abrechnen und planen, die Eltern neuer SchülerInnen besuchen...; Kinder in den weiter entfernten Dörfern besucht, zu einem Urlaub am Strand (und alle nötigen Einkäufe) abgeholt und die ersten schon wieder nach Hause gebracht.
Die wichtigsten Änderungen zu meinem letzten Bericht:
- die Zahl der neuen SchülerInnen hat sich auf 8 Jungen und 4 Mädchen erhöht.
Beim Montieren des Mountainbikes.
- Wir haben einen weiteren Erst-plazierten! Und das auch noch im Abschlußzeugnis der Grundschule! Sarinah (schon immer Klassenbester und Klassensprecher) brachte das beste Zeugnis, das ich je sah: 5x sehr gut und 4x gut. Keine einzige "3"; also ein Notenschnitt von 1,44. Nicht als Preis oder als Belohnung, sondern aus ganz sachlichen Überlegungen kaufte ich ihm gestern ein Fahrrad: Ein stabiles Mountainbike mittlerer Qualität mit 18 Gängen - das am Ende incl. Zubehör ganze 42 Euro kostete (die aber hier mit fast 400.000 Rupien schon eine größere Investition sind): Er wohnt abgelegen in den Bergen, ging früher zu Fuß etwa eine halbe Stunde bis zur Grundschule. Zur Mittelschule würde er weit über eine Stunde brauchen. Die "Piste" zu seinem Haus ist im unteren Teil nur mit Lastwagen, im oberen Teil nur noch mit Motorrädern zu befahren; Linientransport gibt es nicht. Ich hatte mich schon vor Wochen in den Geschäften umgeschaut nach einem nicht aufwändigem, protzigen oder zu teuren Fahrrad, das dennoch guter Qualität und möglichst stabil sein sollte, da der Weg zu ihm so schlecht ist, dass ich nach jedem zweiten Besuch am Motorrad alle Schrauben überprüfe, ob sich nichts los-gerüttelt hat.
Beim Zahnarzt der Gesundheitsstation.
- ein zweiter Junge (aus einem weiter entfernten Dorf) wurde nicht versetzt, obwohl er im Zeugnis nur zwei Fünfer hatte - was eigentlich noch ausgereicht hätte: Eine vernünftige Entscheidung des Lehrers, da der Viertklässler absolut nicht lesen kann und daher auch in allen anderen Fächern nicht folgen könnte.
- Nach 1½ Monaten musste ich nun doch zum ersten Mal zu einem Arzt: Zwei Kinder hatten in den hier meist überraschend guten Zähnen je ein schmerzendes Loch, das am Dienstag provisorisch und am Samstag endgültig gefüllt wurde.
Und damit will ich für heute schließen: Ich muss endlich unsere große Einkaufs-Fahrt in die Stadt planen und vorbereiten.
29.6.2003: FERIEN!!! - Am Freitag und Samstag bekamen fast alle Kinder ihre Zeugnisse; und fast alle brachten sie sofort zu mir.
Heute hatten wir nach 33 Frühstücken (für Nepal-Verhältnisse wenig; aber für Indonesien ein neuer Rekord) unsere "Zeugnis-Konferenz" im Garten vor meinem Zimmer, in der ich Noten bekanntgab, lobte und kritisierte, Preise verteilte und Strafen androhte - und 10 Kindern und Jugendlichen verkünden konnte, dass ich ab jetzt die Schule für sie bezahlen werde (zusätzlich zu denen, die wir schon länger fördern).
Die heutige Versammlung im Garten.
(Hinten mein Zimmer.)
Wenn ich jetzt einen Bericht schreiben sollte, könnte dieser noch längst nicht vollständig sein, da noch nicht alle Kinder die Zeugnisse erhielten, da ich die Kinder aus den weiter entfernteren Dörfern noch nicht traf, - und da mir alleine heute drei neue "Kandidaten/innen" vorgestellt wurden, über die noch lange nicht entschieden ist.
Daher will ich Euch lieber ein paar Auszüge aus meinem Tagebuch kopieren (wobei ich Euch die Namen der Kinder aber verheimlichen werde) und diese mit Fotos von der heutigen Versammlung garnieren:
27.06.03 (vormittags)
Um 9 Uhr kamen die ersten Kinder und brachten mir ihre Zeugnisse - direkt von der Schule und noch ehe sie nach Hause gingen. (Ich nehme an, dass viele Eltern wesentlich weniger Interesse daran zeigen als ich...?)
Glücklicherweise kam auch A., der sich, seit er sich neulich mit S. prügelte und beide eine Kopfnuss bekamen, nicht mehr hatte sehen lassen.
Bis 11 Uhr hatte ich bereits von 16 Kindern die Ergebnisse mit vielen Details notiert.
Einige mit Lob, andere mit Kritik oder Rückfragen. Insgesamt zufriedenstellend, da 13 der Kinder keine einzige Fünf haben. Etwas enttäuschend, da ich keinen einzigen "Musterschüler" habe; die beste Plazierung innerhalb ihrer Klasse sind A., W. und J., jeweils auf dem 4 Platz. (Das ist sehr gut! Aber wir haben eben keine der ersehnten ersten drei Plätze.)
Ich hatte meinen Computer mit alle den Notizen mit nach draußen
genommen. - Die kleineren Kinder setzten sich dicht um mich, ...
(Zur Erklärung: Es gibt Noten von 10 bis 1: Die 10 ist fast unerreichbar, 9 ist sehr gut; 5 ist "rot" und mit drei Fünfern bleibt man sitzen. - In den Zeugnissen wird zu jedem Fach neben der eigenen Note auch die Durchschnittsnote der Klasse angegeben. Und unten auf der Seite Verhaltensbeurteilung, Fehltage und die Plazierung innerhalb der Klasse.)
Ausgerechnet S. (A.'s jüngster Bruder) blieb sitzen und muss die 2. Klasse wiederholen; mit zwei Vierern(!) wohl das schlechteste Zeugnis, das ich je sah. (Und als er mit R. nach dem Frühstück nach Hause gehen wollte, sagte er beim Anziehen der Schuhe "Jürgen, ich bitte um Entschuldigung".)
H. schloss die Grundschule mit zwei Fünfern ab. Da die Familie nach dem Tod des Vaters eh zu kämpfen hat, hatte ich ihm das Bezahlen der Mittelschule schon so gut wie versprochen. Nur muss er mit diesen Noten auf die nahe gelegene Mittelschule gehen, die er mit dem Fahrrad erreichen kann. (Mit sehr guten Noten hätte ich ihm die Fahrtkosten in die Stadt bezahlt.)
... während die Mittelschüler/innen sich in einer Ecke versammelten.
A. (ein Neuer, den die anderen mitbrachten, weil er die Grundschule abschließen wird und sie zu Hause kein Geld haben) hatte wesentlich bessere Noten, viele gut und einige sehr-gut, aber auch eine Fünf. Aber er macht ziemlich Radau und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich für ihn bezahlen will.
Als ich alle gesehen, gelobt oder kritisiert und alles notiert hatte, gingen die meisten nach Hause, um ihre Zeugnisse auch dort vorzuführen.
Die ganz Kleinen, ganz Neuen und einige später Kommende hatten ihre Zeugnisse zu Hause gelassen oder "vergessen" - seltsamerweise auch der größere I., der angeblich immer sehr gute Noten bringt und von dem ich fast sicher bin, dass ich ihm die Schule bezahlen sollte.
28.06.03 (gegen Abend eine Zusammenfassung des Tages)
Immer neue kamen mit ihren Zeugnissen; teils, weil sie es erst heute bekamen, teils, weil (die Kleineren und Neueren) sie es gestern nicht mitbrachten und erst durch mein Interesse und die Hinweise der anderen Kinder darauf kamen, dass ich die gerne sehe. S.'s so scheue Schwester kam mit einer Freundin zum Spielen; das freute mich sehr. Es gab viele Gespräche über Noten; über Zukunftspläne; über die Anmeldedaten und die Preise für die Mittelschule... Ich habe viele Interessenten, mehrere, bei denen schon feststeht, dass ich für sie zahlen werde; - aber mal wieder (außer S.'s Schwester) kein einziges Mädchen; und bisher nur Grund- und Mittelschüler und keine/n einzige/n Oberschüler/in.
Am Ende drängten sich alle um mich für Details
und weitere Fragen - bis spät in den Nachmittag.
Der größere I., der sich nach einem Missverständnis im vergangenen Sommer fast ein Jahr lang nicht sehen ließ, kommt seit ein paar Tagen wieder - und hat die Grundschule als Klassenbester abgeschlossen. Dem werde ich auf jeden Fall die beste der drei in erreichbarer Nähe liegenden Mittelschulen und wahrscheinlich auch die Fahrtkosten bezahlen.
M., den ich so oft neckte und rügte und zum Lernen aufforderte, weil ich den Eindruck hatte, er könne keine einzige englische Vokabel, brachte ein erstaunlich gutes Zeugnis mit 2/3 der Noten über dem Klassendurchschnitt und einer 8 in Englisch; ich konnte es kaum glauben und lobte ihn sehr.
S. brachte leider zwei Fünfer. Und Y., der seit Wochen nicht mehr kam, weil er Angst hatte, dass er sitzenbleiben würde, kam endlich wieder - relativ stolz, weil er "nur zwei Fünfer" hatte und versetzt worden war.
I. kam nicht und ließ ausrichten, dass es bei ihnen die Zeugnisse erst am Montag gebe (was ich nicht so recht glauben kann, weil überall Ferien sind und am Montag an allen Mittelschulen bereits die Anmeldungen beginnen).
A. kam ohne Zeugnis, weil sein Lehrer der Meinung war, er habe die Schulgebühren noch nicht bezahlt. Die zahlte aber ich letztes Jahr für ein ganzes Jahr. Nun muss er schauen, ob er zu Hause die Quittung noch findet; ansonsten muss ich am Montag mit ihm zusammen zu der Schule fahren. (Blöder Lehrer, der ihm nicht nur das Zeugnis nicht aushändigte, sondern nicht einmal verraten wollte, ob er versetzt ist oder was für Noten er hat!)
R.'s Freund U. kam gegen Abend endlich mal wieder. Auch er brachte sein Zeugnis mit - das mir die erschreckende Tatsache verriet, dass in seiner Schule (in einem anderen Dorf) 54 Kinder in einer Klasse sitzen. (Da ist sein 15. Platz noch relativ gut!)
S. (Tourismus-Oberschule) hat einen guten 6. Platz; bekam aber trotzdem einen kleinen Anschiß, weil ihre Noten bei der Zwischenprüfung im Januar wesentlich besser gewesen waren.
Außer S. (2. Klasse) sind alle Kinder versetzt worden.
Etwas enttäuscht (und auch sauer) war ich am Abend, dass ausgerechnet E. und U. sich nicht sehen ließen und ihre Zeugnisse wohl erst "irgendwann" vorlegen werden.
- Die nächsten 3-4 Wochen werden wie üblich die Arbeits- und Ausgaben-reichste Zeit meines Indonesien-Aufenthaltes werden.
16.6.2003: Immer noch keine wichtigen Neuigkeiten - aber ein Foto:
Das "wichtigste" Hobby unserer Kinder ist zur Zeit neben dem Drachensteigen das Murmelspiel...;
Und eine sehr erfreuliche Nachricht: Heute bin ich seit genau einem Monat auf Lombok - und war noch kein einziges Mal mit einem Kind bei einem Arzt oder im Krankenhaus. Bis auf Kopfläuse und kleine Wunden hatte ich noch gar nichts zu behandeln.
... und mein neuestes "Hobby" (in das ich viel zu viel Zeit investiere) ist eine virtuelle Modelleisenbahn in meinem Computer.
Die Oberschüler schlossen heute ihre Versetzungsprüfungen ab, die 6.-Klässler (Ende der Grundschule) haben sie schon hinter sich. Bei den Mittelschülern und den Grundschülern der Klassen 1 bis 5 begannen sie heute. - Aber alle werden erst Ende nächster Woche ihre Resultate erfahren und die Zeugnisse bekommen.
11.6.2003: Nun bin ich schon bald vier Wochen auf Lombok und habe Euch immer noch nicht berichtet - weil es eigentlich nichts Wichtiges zu berichten gibt: Alle Kinder sind gesund, keine Unfälle oder Krankheiten; und die Versetzungsprüfungen sind dieses Jahr später als sonst, so dass ich auch noch nicht viel über schulische Leistungen oder Ergebnisse berichten kann. Lediglich die Zwölftklässler (zu denen aber dieses Jahr keines unserer "Kinder" gehörte) feierten bereits letzte Woche ihren Abschluss ("Abitur"); wie jedes Jahr fuhren große Gruppen auf ihren eigenen oder geliehenen Mopeds in bunt besprühten Schuluniformen endlose Runden durch die Städte und die Strandorte.
Einer unserer Schüler (7. Klasse) hat die Schule aufgegeben - angeblich, weil der Onkel, bei dem er zum Besuch der Mittelschule lebte, ihm nicht genug zu essen gab und er zurück zur Mutter in deren Dorf ging.
Mardins Abrechnungen der Gelder, die ich im vergangenen Herbst bei ihm ließ, habe ich inzwischen überprüft und in den Computer eingegeben. Sie waren sauber und scheinen überwiegend korrekt; er hat gut für unsere Schüler/innen gesorgt. Meine Kalkulation, wie viel er wohl brauchen werde, war überraschend exakt; er ist fast genau mit diesem Geld ausgekommen.
Gestern war ich endlich in Süd-Lombok und habe nun auch von den letzten unserer Schüler endlich erste Nachrichten: Auch dort ist alles in Ordnung, die Zwischenzeugnisse waren sogar besser als erwartet. (Bei fünf Schülern angeblich nur eine einzige Note "Fünf".)
In meinem Zimmer ist inzwischen Routine eingekehrt: Durchschnittlich täglich etwa 15 Kinder zum Spielen, Lernen und Mittagessen; dazu die Besuche der Älteren, die meist nur zum Abrechnen kommen. Zum Abendessen sind wir meist zu Acht; am Wochenende mehr.
Ich habe auch nach Indonesien meinen alten Computer mitgenommen und auch hier sind die Kinder begeistert. Die erste Woche malten sie Bilder, um den Umgang mit der Maus zu lernen und eine Idee vom Öffnen und Speichern von Dateien zu bekommen. Dann kaufte ich eine externe Tastatur mit englischem (internationalem) Layout und seitdem sitzen sie genau so begeistert wie in Nepal täglich vor dem Lernprogramm fürs Zehn-Finger-System.
Zuletzt will ich Euch von einer schönen Erfahrung der beiden ersten Tage erzählen: Schon als ich ankam, hatten mich zwei Kinder vom Straßenrand aus gesehen, kamen gleich ins Hotel und halfen mir beim Abladen und Auspacken. Schnell sprach es sich herum, dass "Jürgen wieder da ist". Das Erstaunliche war, dass niemals das Gefühl aufkam, dass ich neun Monate weg gewesen war; die Kinder kamen, als hätten sie erst vorgestern das Hotel verlassen. Während der eine mich noch förmlich begrüßte (Handschlag; und seine Stirn auf meinen Handrücken), saß der mit ihm gekommene Freund schon auf dem Clo. "Jürgen, wo sind die Autos?" "Die Buntstifte?" "Wo ist Papier zum Malen?" - Sie schienen gar nicht auf die Idee zu kommen, dass ich diese Sachen seit September bei Amir deponiert hatte und erst holen und auspacken musste; dass ich für Papier zum Malen erst in die Stadt fahren musste, um es in einem Copy-Shop zu erbetteln...
Ein schönes Gefühl von großer Vertrautheit.
(Am 28. Juni gibt's Zeugnisse. Spätestens dann werde ich wieder berichten - oder früher, wenn sich Wichtiges ereignet.)
15.5.2003: Jetzt mache ich schon fast eine Woche Urlaub in Candi Dasa (und werde morgen endlich nach Lombok fahren): Gelesen, am Computer gespielt, mit dem Motorrad durch die schöne Landschaft gefahren ...
"Mein Arbeitsplatz" - an dem ich jetzt schon über 3 Millionen Rupien gebucht habe, weil ich voraussichtlich bis August durchgehend auf Lombok bleiben werde und bei den hiesigen Schüler/innen genug Geld für Versetzung und Neuanmeldung deponieren musste.
(3 Millionen sind übrigens nur ca. 300,- Euro.)
Aber zwischendurch auch viel am Computer gearbeitet, aufgeräumt, die Homepage aktualisiert, ergänzt und einiges umgestellt...
Und dazwischen mehrmals die verschiedenen Schüler/innen besucht, die ich hier über Ost-Bali verstreut betreue: 4 Jungen und 2 Mädchen zwischen 2. und 11. Klasse. Die Versetzungsprüfungen beginnen erst demnächst; so sah ich jetzt nur die Zwischenzeugnisse vom Dezember:
"Mein" Masseur, von dem ich mich
jeden Tag (á 3,- Euro) fast eine
Stunde verwöhnen lasse.
Das eine Mädchen hat bei insgesamt ganz guten Noten eine einzige "5". (Hier ist "10" die unerreichbar beste Note; "5" ist die Grenze; mit drei "Fünfern" wird man nicht versetzt.) Vier andere Kinder bzw. Jugendliche hatten alle gute bis sehr gute Noten.
"Sorgenkind" ist ein leicht behinderter Junge, der als Kind nicht zur Schule gegangen war. Als ich ihn kennenlernte und einschulte, war er bereits 12 oder 13 Jahre alt. In der Grundschule hatten die Lehrer Mitleid mit seiner Behinderung und trotz schlechter Noten (weil er einfach nicht intelligent genug ist) wurde er immer wieder versetzt, schaffte letztes Jahr sogar den Abschluss. Schon da sagten mir die Lehrer, dass die Mittelschule viel zu schwer für ihn sei. Ebenfalls aus Mitleid; und damit er nicht arbeitslos auf der Straße rumhängt, ließ ich ihn dennoch weiter zur Schule gehen. Doch nun hat er im ersten Zeugnis gleich 5x die Note "5" und ich habe zusammen mit den Eltern beschlossen, dass er, wenn er nicht versetzt wird, den Schulbesuch beenden wird. (Er ist inzwischen 19 oder 20 Jahre alt und müsste noch einmal in die 7. Klasse gehen; irgendwann muss man ein Limit setzen...)
9.5.2003: Gestern zog ich um von Legian (in der Nähe des Flughafens) nach Candi Dasa (im Osten Balis); ca. 2½ Stunden Fahrt. - Und mein Motorrad war mal wieder"etwas überladen" mit all den Sachen, die ich unbedingt gerne im ersten Anlauf gleich mit nach Lombok nehmen will.
In der Ledertasche ganz vorne (auf meinem Schoß) transportiere ich zwei Notebook-Computer, viele CDs und andere Sachen, die weder gestopft noch gedrückt werden dürfen. Im kleinen Rucksack (den ich aufsetze, während ich dort sitze, wo jetzt der Helm liegt) befinden sich Videokamera, Fotoausrüstung, sowie Salben und flüssige Medikamente, die senkrecht stehen oder nicht gedrückt werden sollten. In der liegenden blauen Tasche zwei Puzzlespiele, viele Bücher, Hefte, Fotokopien - und alles andere was "flach und eckig" ist. In der Plastiktüte obendrauf die zu verschenkende Kinderkleidung, die nicht mehr in den großen Rucksack passte. Und in diesem "alles andere".
(Und ich bin heil angekommen!)
4.5.2003: Seit vorgestern Abend bin ich wieder auf Bali. Noch kämpfe ich mit der Hitze, dem Zeitunterschied - und der zu Hause angesammelten Müdigkeit. Aber bald werde ich wieder "loslegen", die ersten Ärzte und Kinder besuchen; und bald könnt Ihr hier wieder regelmäßig "Nachrichten lesen".
Links auf fremde Internetseiten sind lediglich Hinweise auf deren Existenz. Ich übernehme keinerlei Verantwortung für deren Inhalt.
Das Layout ist abgestimmt auf den Internet Explorer 800 x 600.
© Copyright Jürgen Dahm 2003 all rights reserved.
Homepage
Mail
Letzte Aktualisierung: (Siehe Datum am Beginn dieser Seite.)