Dies ist der Jahresbericht, wie er im Oktober 2002 ausgedruckt per Post an fast 300 Adressen ging. Für Dich, die Du ihn im Internet liest und der Du vielleicht auch sonst regelmäßig hier meine Zwischenberichte gelesen hast, bringt er vielleicht ein paar neue Aspekte und eine gute Zusammenfassung; aber er berichtet natürlich auch über vieles, was Du im Laufe des Jahres schon längst "online" erfahren hast.
Obwohl dieser Bericht recht lang ist (gedruckt waren es 10 Seiten), kann er natürlich bei weitem nicht vollständig sein: Über mehr als 9 Monate in Asien und inzwischen 300 Kinder und Jugendliche in meinen Dateien gäbe es noch so viel mehr zu erzählen...
Wenn Du meine immer aktuellen Berichte nicht regelmäßig gelesen hast, oder wenn Du vielleicht ganz neu auf diesen Seiten bist, könntest Du ins ARCHIV der Berichte schauen, die ich als "AKTUELLES" von unterwegs alle paar Tage oder Wochen aktualisiere:
Dort findest Du unter anderem Berichte über
von Jürgen Dahm Hallo !!! Nun ist schon wieder ein Jahr vergangen ... - Bei mir ging es raaasend schnell und ich muss, noch bevor ich mich für all Eure Hilfe bedanke, diesen Jahresbericht vor allem und als erstes mit Entschuldigungen beginnen: Schon vor einem Jahr hatte mir die Zeit nicht gereicht, ich hatte Dir einen Bericht ohne Fotos geschickt, Dir für den Januar einen weiteren Bericht versprochen. Aber auch dafür fand ich nicht die Zeit. Ich hatte im Herbst den Auftrag angenommen, den neuen APA-Reiseführer Nepal aus dem Englischen zu übersetzen. Dann hatte ich mich in Nepal zunächst zu lange mit anderem beschäftigt, hatte den Jahresbericht fürs Internet umgeschrieben, Fotos eingebaut; dann alle meine Seiten ins Englische übersetzt.
Ein paar typische Auszüge aus meinem (immer recht ausführlichen) Tagebuch sollen Dir verdeutlichen, was so lief: Die Zahl der Kinder nahm immer weiter zu, so dass ich mich inzwischen täglich mindestens von 13 bis 20 Uhr ausschließlich den Kindern widme und zu keiner Schreib- oder anderen Arbeit mehr komme. Und als ich endlich ernsthaft mit dem Schreiben des Buches (380 Seiten!) begann, merkte ich erst viel zu spät, wie viel Arbeit das machte, wie viel nicht nur zu übersetzen, sondern auch zu überprüfen, zu aktualisieren und zu ändern war. Noch ein Tagebuch-Zitat - mit Erklärung: Um diese Entschuldigung nicht unendlich lang werden zu lassen, fasse ich es in einem Satz zusammen: Am 25. März hätte ich den letzten Teil des fertigen Manuskripts abliefern sollen; - aber erst am 20. Juni schickte ich die letzten Text-Korrekturen von Indonesien aus an den Verlag. Dazwischen hatte ich zwei Reisegruppen geleitet, in Nepal für über 60 Kinder die Versetzung in die nächste Klasse organisiert (Zeugnisse, Neuanmeldungen, neue Bücher, Kistenweise Schreibwaren, Tüten voller Quittungen.) Zwischen Nepal und Indonesien war ich nur sechs Tage in Deutschland - und alles andere blieb liegen. Den Rest des Sommers tat ich "Alles Mögliche" - nur zum Schreiben hatte ich nach so viel Schreiben-Müssen keine Lust mehr. Und so kommt es, dass einige Briefe vom Herbst letzten Jahres immer noch nicht beantwortet sind und ich mich für Überweisungen vom Dezember und Januar bis heute nicht bedankt habe. Ich bitte um Entschuldigung und um Euer Verständnis! Ein Problem in diesem Zusammenhang ist auch, dass ich viel zu selten und viel zu kurz in Deutschland bin. Und einen Brief von unterwegs zu schicken, ist so teuer. Das Porto z.B. aus Indonesien nach Deutschland kostet so viel wie das Tagesgehalt eines Hilfsarbeiters oder das Mittagessen für 20 unserer Kinder. Ich schreibe seit Jahren ein recht ausführliches Tagebuch und dieses Jahr werde ich Euch in diesen grau unterlegten Boxen auszugsweise daran teilhaben lassen: Das hat auch zur Folge, dass ich schon seit Tagen an diesem Brief hier bastele und mich frage, wie viel oder wie wenig ich hier schreiben soll. Gehörst Du zu denen, die im Internet fast wöchentlich nachlesen können, was ich tue, welches Kind operiert wurde, wie die Versetzungsprüfungen liefen - und langweilst Dich, wenn Du das alles hier noch einmal lesen sollst? Oder bekommst Du nur alle paar Wochen ein kleines E-Mail-Rundschreiben von mir? Oder gehörst Du zu denen, die nur einmal im Jahr diesen Bericht bekommen und für die ich am liebsten ein halbes Buch schreiben würde? Außerdem ist dieses Jahr die Zahl derer, die meinen Jahresbericht erst zum ersten oder zweiten Mal bekommen, besonders hoch. Wenn Du zu diesen gehörst, werden Dir vielleicht einige grundlegende Informationen fehlen - die ich aber den "alten Stammgästen" nicht jedes Jahr von Neuem erzählen kann. - Wenn Du also z.B. wissen möchtest, wie alles anfing, warum ich das mache, nach welchen Regeln wir vorgehen oder wie z.B. in Nepal mein typischer Tagesablauf aussieht: Dann schreibe mir bitte und frage, so viel Du willst. (Ich habe im kommenden Winter weder Reisegruppen noch einen Buch-Auftrag und werde alle Briefe ganz bestimmt im Januar beantworten. Nach so vielen Entschuldigungen und Erklärungen muss ich nun endlich D A N K E !!! sagen für alle Hilfe, für gespendete Medikamente, für nach Nepal oder Indonesien mitgebrachte Kinderkleidung; - und für die vielen Überweisungen, die mir die Arbeit, von der ich im Folgenden erzählen will, überhaupt erst möglich machen und mir erlauben, sie immer weiter auszubauen und immer mehr Kindern zu helfen.
Zur Verwendung der gespendeten Gelder möchte ich aus konkretem Anlass hier etwas erklären, was ich wohl seit Jahren nicht mehr erwähnt habe: Mehrere deutsche Freunde, die mich in Nepal besuchten und dort sahen, wie viel ich mit den Kindern zu tun habe, waren überrascht, dass ich das nicht hauptberuflich mache und kein Gehalt dafür bekomme. Deshalb möchte ich hier einmal klarstellen, dass ich nach wie vor alles "ehrenamtlich" mache. Alle gespendeten Gelder kommen (fast) ausschließlich direkt den Kindern zugute. Das meiste verbrauche ich für Schule, Medizin und Essen; kleinere Posten sind z.B. Wäscherei, Friseur, neue Sandalen, Fahrräder reparieren, sofern Kinder diese für den Schulweg benötigen. "Verwaltungskosten", die den Kindern nur indirekt zugute kommen, sind lediglich Druck- und Portokosten (zum Beispiel für diesen Bericht), meine Taxifahrten zu Schulen und Krankenhäusern, sowie ein kleines Honorar für die Jugendlichen, die sich während meiner Abwesenheit um die Kinder kümmern. Ich rechne alles sehr genau ab und hebe für alle größeren Ausgaben die Quittungen auf. - Und wenn ich 20 Essen á 70 Cent bezahlt habe, schreibe ich anschließend 19 Essen in die Abrechnung - weil ich mein eigenes Essen natürlich selber zahle. |
Nepal im Herbst 2001:Seit Nepal Airlines nicht mehr nach Europa fliegt, sind die Verbindungen entweder teuer oder kompliziert. So verbrachte ich eine Nacht in einem Hotel in Kuwait und eine halbe Nacht im Transit in Delhi, bevor ich endlich in Kathmandu ankam - ohne meinen Rucksack. Zehn Tage rief ich täglich am Flughafen an, fuhr mehrmals hin - bis sie merkten, dass mein Rucksack in einem ihrer Lagerräume stand! (Bei einem meiner Transit-Stops war er mit einer anderen Fluggesellschaft weitergeleitet worden und traf einen Tag vor mir in Nepal ein.) ... kam Ravi Maharjan auf der Suche nach mir: Man habe dem kleinen Krishna den Fuß aufgeschnitten. - Unglaublich! Biki (ein etwa 12jähriger Tunichtgut vom Basantapur) hatte von Krishna angebliche Schulden eintreiben wollen; und als dieser kein Geld hatte, schnitt er ihm mit einem nagelneuen Schweizermesser quer über den Fußrücken. Als ich ins Hotel kam, sah ich neben viel Blut und völlig verschmierten Beinen eine etwas 4 cm lange klaffende Wunde. Bereits am ersten Tag besuchten mich mehr als 30 Kinder. Nach 3½ Tagen sah ich meine Datei durch: Ich hatte schon 72 Kinder und Jugendliche persönlich getroffen. Und wenn ich die dazurechne, deren Mütter oder Geschwister ich traf, waren es insgesamt 105 Kinder, über die ich bereits Informationen aus erster Hand hatte!!! Mit dem Versprechen, zwei Apfelsinen zu verteilen, machte ich nach dem Abendessen eine Lotterie, wer das Bad, wer die Betten, wer den Boden sauber- machen mußte. - Und darüber gerieten einige Kinder so "in Rage", daß sie bis nach 23 Uhr aufräumten, putzten und die Spielekiste sortierten. Gleich in den ersten Tagen brachte Mukesh mir seine Abrechnungen der Kinder-Ausgaben des Sommers: Eine Diskette und einen Stapel Papier und Quittungen, der fast einen Leitzordner füllte! (Und das bedeutete für mich tagelange Arbeit, alles zu prüfen, dann mit ihm zu besprechen oder Unstimmigkeiten mit einzelnen Schülern/innen abzuklären.) Und dann schickte ich Mahesh zum Einkaufen: Da die Anzahl der täglich übernachtenden Stammgäste schon im Frühjahr fast das Zimmer füllte (und die, die nur gelegentlich mal übernachten wollen, kaum noch eine Chance bekamen); und da ich im März meinen völlig verschlissenen alten Schlafsack den Straßenkindern geschenkt hatte, kaufte er uns nun zwei Stücke billigen Teppichbodens als Unterlage und zwei große warme Decken. Nun haben wir problemlos Platz für bis zu 10 Kinder. Recht "bunt gemischt" will ich Dir aus meinen Notizen einiges erzählen, was nicht direkt die Kinder betrifft: Ich hatte den Rollstuhl meines Vaters mitgebracht. Und bevor ich ihn in der Armen-Apotheke abgab (die schon wussten, wer ihn unbedingt braucht), ließ ich die Kinder damit "spielen" und zeigte ihnen, wie man damit fährt, wie man schiebt, wie man Stufen bewältigt ... Binod (14) hatte nach dem Frühstück auf die anderen gewartet (und ich hatte ihn auch noch dort stehen sehen!) und war aufgrund des Streites von vorgestern mit einem Messer von hinten auf Kedar losgegangen. Glücklicherweise hatte es keine Verletzungen gegeben, Leute hatten die beiden getrennt, Binod festgehalten, die Polizei gerufen. Binod sitzt in der Polizeistation; und da er auch noch Hashish in der Taschen hatte, wird er wohl ins Gefängnis gehen. - Und dann kam auch noch einer und erzählte, daß die Polizei an einer anderen Stelle und aus unbekannten Gründen auch noch Ravi Bhandari verhaftete; da werde ich, wenn er bis gegen Abend nicht wiederkommt, wohl hingehen und ihn rausholen müssen. Erstmals hatte ich Reiseschecks in €uro mitgenommen; aber die wurden problemlos gewechselt.
Ich ließ mir einen Stahlschrank bauen (was in Nepal genau so viel wie ein fertiger kostet): Genau nach meinen Bedürfnissen mit hohem Fachabstand für Röntgenaufnahmen, einem Fach für DIN-A4, niedrigen Fächern für Medikamente und Computerzubehör. - Bei der Menge der Kinder bin ich sehr froh, dass ich solche Sachen jetzt unter Verschluss halten kann. Irgendwann konnte ich morgens nicht mehr aufstehen: Bandscheibenvorfall. Was für Schmerzen! - Fast zwei Wochen humpelte ich am Stock durch die Stadt. Eines Tages kam ich gegen Mittag nach Hause - und schon auf dem Treppenabsatz kam mir das Wasser entgegen: Morgens hatte es kein Leitungswasser gegeben; und eines der Kinder hatte wohl einen der Hähne im Bad nicht wieder zugedreht. Später gab es wieder Wasser und das lief schneller als der Abfluss es aufnehmen konnte. Das ganze Zimmer stand ca. 3 cm hoch voll Wasser! (Aber nichts Teures oder Wertvolles ging kaputt.)
Ende Dezember heiratete die Schwester von Mahesh und Mukesh und für mehrere Tage war ich zu den verschiedenen Feiern und Zeremonien eingeladen. Mukesh eröffnete mit seinen Ersparnissen und einem Kredit ein eigenes Internet-Café mit zunächst fünf Computern. Aufgrund des sehr schön eingerichteten Raumes und einer cleveren Preispolitik hat er sehr viele Kunden und konnte bereits ausbauen. Im Dezember fiel mein Heimflug aus; und da es die Verbindung mit mehrmaligem Umsteigen nicht täglich gab, konnte ich erst mit 5 Tagen Verspätung nach Hause fliegen. |
Schulisches (aus Nepal; Herbst und Frühjahr zusammengefasst):Insgesamt lief es sehr gut. Nur zwei von über 60 Kindern sind sitzengeblieben. Einige brachten sehr gute Noten (aber ein paar "Fünfer" gab's natürlich auch). Wir haben weiter ausgebaut und neue Schüler/innen aufgenommen. Ravi Maharjan ist tot. Aber manchmal gibt es natürlich auch Probleme und von einigen möchte ich Euch hier berichten. Kedar hatte die Schule aufgehört, weil seine Mutter in schlechten Jobs so wenig verdient, dass sie ihre Kinder nicht mehr ernähren kann. Da er intelligent und fleißig ist (er war jahrelang einer unserer besten Schüler), zahlen wir dieser Familie ohne Vater jetzt einen wöchentlichen Zuschuss zum Lebensunterhalt und Kedar geht wieder zur Schule. Nima machte weiterhin viele Probleme, ging nur unregelmäßig zur Schule. Seit dem Sommer 2002 ist er verschwunden und hat sich seit Wochen nicht bei Mukesh gemeldet. Wir nehmen an, dass er zurück in sein Heimatdorf ging und hoffen, dass die Jahre, die wir ihm an einer guten Schule ermöglichten, ihm auch ohne Abschluss weiterhelfen. (Er ging bis zur 8. Klasse, spricht sehr gut englisch; und da er in der Nähe des Everest-Treks wohnt, wird er wohl im Tourismus arbeiten.) Niroj gab die Schule auf, weil er arbeiten muss, da der Vater alles Geld versäuft und die Mutter es alleine nicht mehr schafft. Da Niroj schon länger recht faul war, bin ich in diesem Fall nicht eingeschritten. Er sorgt jetzt mit dafür, dass seine Schwester genug zu essen bekommt, der wir weiterhin die Schule bezahlen. (Wie üblich handeln meine Berichte mal wieder überwiegend von den Jungen: Etwa ein Drittel unserer "Schüler" sind Mädchen - aber die machen im Allgemeinen weniger Ärger, Sorgen und Probleme als die Jungs) |
Medizinisches (aus Nepal):Im Herbst konnte ich wieder einmal die Tetanus-Immunisierung für weitere 36 Kinder abschließen. - Und ich bin nicht wenig stolz darauf, dass ich alle Kinder, die zwischen Herbst 2000 und Frühjahr 2001 die erste und zweite Spritze bekommen hatten, nun nach bis zu einem Jahr für die dritte Spritze zusammentrommeln konnte. Wir haben jetzt schon das zweite Mädchen mit rachitisch krummen Beinen in Langzeitbehandlung: Monatelang Kalzium- und andere Tabletten. Und Schienen, deren Biegung man regulieren kann, mit denen die Beine langsam wieder "gerade gebogen" werden sollen. Zwei große Operationen hatte ich für den Herbst geplant; aber beide Kinder waren über die Zeit der vielen Feiertage zurück in ihre Heimatdörfer gegangen und kamen erst zu spät wieder in die Stadt. So ließ ich beide Operationen im Frühjahr 2002 machen:
Kumar wurden die Verbrennungs-Kontraktionen seiner linken Hand gelöst, Haut transplantiert, so dass er die Finger jetzt endlich wieder strecken kann. (Als die linke Hand frisch operiert war, musste er immer gefüttert werden, da er ja an der rechten Hand gar keine Finger hat. - Da "erfand" ich einen Löffel-Halter aus Leder und Klettverschluss, den Amrits Vater - der eigentlich Rucksäcke herstellt - nach meinen Plänen für uns nähte.)
Erst im Frühjahr wurde mir ein Mädchen vorgestellt, das an Zerebralparese leidet. Ich wusste selber gar nichts über diese Krankheit und kopiere Euch hier den ersten Absatz aus einer Information von "medicine worldwide": Die Infantile Zerebralparese ist eine nicht fortschreitende funktionelle Hirnschädigung des Kindes. Sie ist charakterisiert durch Störungen des Nerven- und Muskelsystems im Bereich von Tonus, Stärke, Koordination und Bewegungsabläufen. Am häufigsten sind spastische Mischformen mit einer generellen Tonuserhöhung der Muskulatur. Die zu Grunde liegende kindliche Hirnentwicklungsstörung kann unterschiedlichste Ursachen haben. Sauerstoffmangel, Nabelschnurkomplikationen, Infektionen, Hirnblutungen und Unfälle können im gesamten Verlauf der Schwangerschaft, am häufigsten jedoch im Verlauf der Geburt (perinatal) zur infantilen Zerebralparese führen. Ram Krishna, der frühere Leiter der Armen-Apotheke, machte mir das schönste Kompliment, als er einer zufällig anwesenden Reporterin über mich sagte: "Eigentlich ist der Nepali; der wurde nur durch Zufall in Deutschland geboren. Seine Gedanken, sein Fühlen, seine Einstellung sind nepalisch..." Ich kannte ihren Vater seit Jahren - flüchtig. Und er hatte mir nie Genaueres über seine Tochter erzählt. Nun bat er mich endlich um Hilfe, da sie weitere Behandlungsmöglichkeiten gefunden hatten. Neben dem motorischen Training in einem speziellen Zentrum braucht sie Schienen fast am ganzen Körper, deren Anfertigung die Familie finanziell überfordern. Außerdem sollte das Mädchen in ein Internat, wo sie besser als zu Hause versorgt werden kann. Seit Mai 2002 zahlen wir die monatlichen Kosten für das Internat. (Die Familie selbst kommt für alle weiteren Kosten wie Bücher, Uniform, Schreibwaren usw. auf.) Wir haben einen Rollstuhl gekauft und zugesagt, für die weitere medizinische Versorgung aufzukommen.
Kumar lebte bei den Straßenkindern. Beim Spielen auf dem Mauervorsprung an der Außenseite einer Fußgängerbrücke stürzte er aus etwa 3-4 Metern Höhe auf einen Zaun, dessen blattförmige Spitzen ein Drüberklettern verhindern sollen. Er blieb mit der Wade auf einer dieser Spitzen hängen. Es war die tiefste Fleischwunde, die ich je gesehen habe. Aber glücklicherweise waren weder Knochen noch Sehnen verletzt, er wurde genäht, tamponiert und ist gut abgeheilt. (Und er kann glücklich sein, dass es "nur" das Bein traf; leicht hätte er auf diesem Zaun sterben können.) Der Vater von drei unserer Schüler litt an Nierenversagen. Die erste Dialyse zahlte die Mutter, nahm für einen Teil davon einen Kredit auf. Die Ärzte machten ihr Hoffnung: Dass manchmal nach 1-2 Dialysen die Nieren wieder zu arbeiten beginnen. Die zweite Dialyse zahlten wir. (Obwohl Euer Geld ja eigentlich direkt für die Kinder sein soll, dachte ich, dass es hier gerechtfertigt sei und wir alles versuchen sollten, diesen Kindern den Vater zu erhalten.)
Nach jeder Dialyse ging es ihm für eine Weile besser, er konnte nach Hause gehen. Doch als auch der Erfolg der zweiten Behandlung nur wenige Tage anhielt, gaben sie auf: Ohne weitere Rücksprache mit mir oder den Ärzten fuhren beide Eltern in ihr Heimatdorf - in dem Wissen, dass der Vater dort sterben werde. "Kleinkram":
Hire stürzte von einem Vordach im 2. Stock und brach sich den Kiefer, konnte sich wochenlang nur flüssig ernähren. Einen weiteren neuen Fall zitiere ich Euch wieder aus meinem Tagebuch: (Er ist 14 Jahre alt; ich kannte ihn bis dahin nur von seinen Besuchen, wenn er für die Schule abrechnete:)
Der noch recht neue Schüler Dhurba kam: Er hatte sich angemeldet, daß er in den kurzen Ferien nach Abschluß der Zwischenprüfung "1-3 Tage" bei uns wohnen wolle. - Bald erfuhr ich, warum: Er kam und fragte, was wir außer Schule und Wunden-Saubermachen noch so finanzieren; er habe gehört, daß wir machen Kindern auch teure Operationen bezahlen... Er klang wie ein Reporter... Doch als ich ihn fragte, um wen es sich denn handele (und ich dachte an ein Kind aus seinem Bekanntenkreis), da zeigte er mir seinen Arm: Absolut krumm. Den habe er als Zweijähriger gebrochen und der sei auf dem Dorf "traditionell" behandelt worden. - Und er geniert sich und geht damit so geschickt um, daß weder Mukesh noch ich bei all seinen Besuchen je etwas davon gemerkt hatten. (Wenn er den Ellbogen beugt, ist der Arm fast normal; aber wenn er ihn streckt, ist er im Ellbogengelenk stark abgebogen und ganz seltsam anzufühlen; die eine Sehne, die innen im Gelenk liegen sollte, scheint auf der Außenseite der Knochen zu verlaufen ...) |
(Nach Kumars Unfall in der Notaufnahme des zentralen staatlichen Krankenhauses:) Ein großes Problem:Der Leim hat Nepal erreicht. - Sagt Euch nichts? Das Inhalieren dieser Stoffe (wenn Ihr's wissen wollt, könnt Ihr mal an Pattex riechen) schädigt nicht nur die Lunge, sondern auch die Leber und vor allem das Hirn. Und es macht extrem süchtig. Auf den Internetseiten von Casa Allianza, einem in Südamerika aktiven Kinderhilfswerkes heißt es "Die psychisch-soziale Rehabilitation eines nach dem Klebstoff suechtigen Kindes ist fast unmoeglich."
Viele von "unseren" Kindern haben damit zu tun. Ich erklärte. Ich suchte Informationen und Materialien (im Internet). Ich drohte und machte Angst. Ich strafte (die, die aufhören wollten, aber nicht konnten). Endlose Diskussionen. Ich erlaubte Kindern, die aufhören wollten, den ganzen Tag bei mir zu bleiben (wo doch sonst die Zeit zwischen Frühstück und 13 Uhr "meine Zeit" ist und die Tageskinder erst um 13 Uhr kommen dürfen). Ich kämpfte. Ich erlaubte gefährdeten Kindern nicht, abends wegzugehen oder draußen zu schlafen. Einmal kamen ein 12- und ein 14-jähriger, die eigentlich aufhören wollten, nach ausgiebigem Leim-Konsum zum Abendessen: Sie waren völlig andere Menschen; machten so viel Radau und Ärger, dass ich selbst erst gegen 21 Uhr essen konnte. Dann bat ich drei der Jugendlichen, die Nacht bei uns im Hotel zu verbringen. Zu viert hatten wir mehr als genug zu tun, die beiden Kinder bis ins Hotel zu bringen - teilweise zu tragen. Und dann stand abwechselnd einer der Jugendlichen bis kurz vor Mitternacht als Wächter an der Zimmertür, während ich abwechselnd versuchte, diese beiden Kinder zu beruhigen und am Gehen zu hindern - bis sie endlich einschliefen. Kale stank mal wieder nach Leim - und ich mußte seinen älteren Bruder bremsen, damit er ihn nicht gleich verprügelt. (Ich hatte Teile dieser Aktionen gefilmt: Als ich ihnen am nächsten Morgen diese Aufnahmen zeigte, konnten sie sich an nichts erinnern.) Wenn ein Kind 10 Tage nicht schnüffelte waren wir schon stolz und froh. - Aber lange hielt es keiner durch. |
Nachdem ich neulich auf meinen Seiten im Internet sehr ausführlich den diesmal wirklich recht tränenreichen Abschied von den Kindern auf Lombok beschrieb, fragten mich gleich mehrere Leser: "Ich hatte immer gedacht, die Kinder in Nepal ständen Dir eigentlich näher?" A) Ich weiß es selber nicht. - Ich selbst frage mich oft, ob ich öfter in Nepal an die Kinder in Indonesien denke; oder öfter in Indonesien an die Kinder in Nepal. B) Wenn ich diesen Bericht schreibe, stecke ich immer mitten in den Vorbereitungen für den nächsten Flug nach Nepal. Dadurch ist Nepal in meinem Kopf "präsenter" als Indonesien (das ich erst vor drei Wochen verlassen habe). C) Indonesien ist einfacher! So wie das Land einfacher zu bereisen ist, ruhiger, grüner, sauberer - so ist auch die Situation mit den Kindern einfacher und angenehmer: Keine Straßenkinder, keine Sozialwaisen, keine Taschendiebe, keine Gangs und Kliquen, kein Leimschnüffeln und keine Drogen. - - - Nepal ist für mich "Arbeit", Lombok ist Urlaub... D) In Nepal betreue ich mehr als dreimal so viele Kinder wie in Indonesien. - Eigentlich logisch, dass es also über die Kinder in Nepal immer mehr zu erzählen und zu berichten gibt. |
Indonesien:Ich war nur sechs Tage in Deutschland gewesen; dann hatte ich auf Bali eine Woche Zeit, um die Gruppe vorzubereiten - und immer weiter an dem Reiseführer zu schreiben. Gegen Ende der dreiwöchigen Rundreise mit der Gruppe kam ich endlich nach Lombok und traf viele der Kinder. Eine ganze Gruppe von Schülern kamen sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus ihrem Heimatdorf, um mich im Hotel zu besuchen. Nach Abreise der Gruppe kümmerte ich mich zunächst auf Bali um Kadek: Es ging ihm gut; nur die Prothesen waren völlig verschlissen und fast nicht mehr zu benutzen.
Ein gutes Zeichen! Ich hatte doch solche Angst gehabt, dass er damit kaum richtig gehen kann und sie nicht benützt. Doch nun konnte ich erfahren (und später auch sehen), dass er sie fast immer trägt, damit sogar rennen kann - und einmal sogar damit beim spielen von einer Reisterrasse abstürzte (!)
Für Mitte Juli bekamen wir einen Operationstermin. (Für die Wochen des Wartens brachte ich Kadek nach Hause und fuhr selber nach Lombok.) Dann wurde die linke Hand operiert. An ihr hat er nur zwei Finger und den Daumen. Die zwei Finger sind zusammengewachsen; und der innere dieser Finger hat zusammen mit dem Daumen nur einen gemeinsamen Mittelhandknochen. So war die ganze Hand unbeweglich.
Die Operation verlief problemlos; schon nach zwei Tagen wurde Kadek entlassen. Ich brachte ihn zu seinen Verwandten in der Stadt, die ihn wöchentlich zum Arzt bringen sollten und fuhr selber wieder nach Lombok. Von dort rief ich immer wieder bei den Verwandten an und erfuhr immer nur dass "alles in Ordnung" sei; und schließlich: Dass er nicht mehr zur Kontrolle müsse und sie ihn nach Hause ins Dorf gebracht hatten. Ausnahmsweise nicht aus meinem Tagebuch - sondern von meinen Internetseiten: Da sich nichts Besonderes ereignet hatte, über das ich hätte berichten sollen, beschrieb ich dort mal meinen Tagesablauf auf Lombok: So blieb ich bis kurz vor meinem Heimflug auf Lombok und besuchte Kadek und seine Familie erst im September wieder - und war leicht geschockt und schwer enttäuscht, als ich sehen musste, dass die Operation nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte: Die Hand ist fast genau so unbeweglich wie früher; er kann Daumen und Finger leicht nach unten biegen, bringt sie aber nicht zusammen und kann immer noch nicht damit greifen. Die Nachrichten von Lombok sind dagegen um so erfreulicher: Alle Kinder wurden versetzt, einige brachten ausgezeichnete Noten. Emis, die letztes Jahr abgehauen war, um zu arbeiten, wurde wieder in der Schule aufgenommen. (Leider hat sie durch ihre "Eskapaden" ein Jahr verloren.) Alimudin, der als nicht zu bändigender "Rüpel" schon zweimal die Schule aufgegeben hatte, scheint es endlich kapiert zu haben, lernt jetzt sehr gut, geht jedem Streit aus dem Weg und wird selbst von den Lehrern gelobt.
Viele neue Kinder, einige neue Schüler/innen. Vor allem aber wechselten viele unserer Schüler /innen in höhere Schulen. Grundschüler, die ich früher nur medizinisch versorgt hatte, kamen in die teurere Mittelschule, die sich die meisten Eltern nicht leisten können, so dass ich nun die Schule für sie zahle. - Und wir haben jetzt alleine auf Lombok schon 5 Kinder in der Oberschule (10.-12. Klasse), die noch mehr kostet.
Und einmal kaufte ich über 350 Schulhefte auf einen Schlag - aber das waren noch längst nicht genug; den Rest kaufte ich später in kleineren Portionen. Einzige schulische Enttäuschung war Mardin: Der hatte mir bereits im Dezember mitgeteilt, dass er die Fachhochschule abgeschlossen habe - und erst im August fand ich heraus, dass er einen Teil seiner Examensarbeit noch gar nicht geschrieben hat. Nach längeren Diskussionen gab ich ihm also noch einmal Geld, so dass er etwa einen Monat davon leben kann, nicht arbeiten muss, Computermiete und Druckkosten bezahlen kann und nun hoffentlich bald sein Zeugnis bekommt.
Und Titik Yuliana, ein zwölfjähriges Mädchen, gab die Schule auf, weil sie recht groß gewachsen und erst in der vierten Klasse ist. Sie wird so sehr geneckt, weil sie viel größer ist als ihre Mitschülerinnen. Weinend versprach sie mir, zu Hause weiterhin zu lernen; aber mit allen Mitteln war sie nicht zu überreden, wieder zur Schule zu gehen. Ich freute mich sehr, zu bemerken, dass mir immer mehr Eltern in diesem konservativen islamischen Dorf vertrauen. Während früher eher die Skepsis vorherrschte (was dieser Ausländer wohl will? ob der unsere Kinder von den Gebeten abhält? ob der ihnen vielleicht gar nicht-islamisches Essen gibt?), so kommen mich heute Väter und Mütter besuchen, um mit mir über schulische und andere Probleme ihrer Kinder zu sprechen. Der Fußballclub bat mich um Hilfe zur Anschaffung eines Verbandkastens. Und einmal kam sogar der Bürgermeister, um etwas mit mir zu besprechen. Noch eine gute Nachricht (die mir eigentlich erst beim Abrechnen nach Ende der Reise bewusst wurde): Noch nie waren so wenige Kinder krank; noch nie war ich so selten mit einem Kind im Krankenhaus wie dieses Jahr. Seit 15. September bin ich zu Hause in Deutschland. Die Zeit rennt mal wieder; und wenn dieser Bericht Deinen Briefkasten erreicht, werde ich schon wieder in Nepal sein. |
Wie üblich muss ich meinen Bericht mit "Organisatorischem" und ein bisschen "Werbung" abschließen:Geplante ReisenZur Zeit bereite ich nur eine Gruppenreise vor, für die wir noch weitere Teilnehmer suchen.Im Übrigen warte ich auf Eure Vorschläge und hoffe, dass mal wieder jemand aus dem Kreis der Leser genug Freunde findet, um eine kleine Gruppe zusammenzustellen. Darüber hinaus habe ich jetzt auch in Indonesien gute Kontakte zu einer zuverlässigen Agentur und kann Dir in Nepal oder Indonesien gerne für individuelle Reisen behilflich sein, zum Beispiel Hotels oder Inlandsflüge oder auch ein komplettes Programm buchen. (Der folgende Text hat sich gegenüber dem, der letztes Jahr hier stand, leicht geändert. Viele weitere Informationen und das detaillierte Programm findest Du, wenn Du auf meiner Homepage "Reisen" anklickst. Tibet und Nepal: Bus-Reise mit vielen Besichtigungen von Lhasa nach Kathmandu; im Oktober 2003 Warum im Oktober?: - Im Herbst ist es noch warm genug, blauer Himmel und auch in Tibet weniger Regen als im Sommer. Ich war jetzt schon dreimal im Sommer in Tibet - einmal mit schlechtem Wetter und matschigen Straßen - und immer mit vielen Problemen auf der nepalischen Seite, wo man im Sommer mitten in den Monsun kommt und die Straße von / nach Tibet meist in sehr schlechtem Zustand und oft zwischen Erdrutschen nur wandernd zu überwinden ist. Im Oktober ist es trocken und die Straßen sind meist schon wieder repariert. Homepage / unsere Kinder im Internet(Wenn Du Dich auf diesen Seiten schon gut auskennst, brauchst Du den folgenden Abschnitt natürlich nicht mehr zu lesen!) Meine Arbeit an der Homepage, die ich erst 2001 einrichtete, ist inzwischen schon zur "Routine" geworden. Wenn ich unterwegs bin, schreibe ich durchschnittlich wöchentlich Aktualisierungen, berichte über Operationen, schulische Prüfungen, Probleme und Erfolge. Es gibt Infos über meine Reisen, über Hilfs- und Spendenmöglichkeiten, über benötigte Medikamente oder die Möglichkeit, als Volontär/in in Nepal zu arbeiten. Ihr könnt dort von den Kindern gezeichnete Bilder oder ihre Zeugnisse sehen und demnächst werde ich auch Beispiele meiner Abrechnungen dort veröffentlichen. (Es folgten für die Leser ohne Internet-Erfahrung Hinweise, wie sie meine Homepage erreichen können.) KontonummerWenn Du helfen kannst und willst, daß ich so weiterarbeiten kann wie bisher (oder noch mehr): Dann notiere Dir bitte meine Kontonummer:
Konto Nummer 34095671 (Jürgen Dahm) Danke !!! Erinnerst Du Dich noch, wie ich letztes Jahr diesen Bericht beendete? Ich schrieb: Und wieder einmal muß ich erklären: Ich freue mich auch über Post (mail, usw. ...), wenn kein Scheck beiliegt! Damit sage ich wieder einmal Tschüß! |
Bitte schaut auch weiterhin regelmäßig für neueste Informationen auf die Seite "AKTUELLES" !