Jahresbericht 2000
(September 1999 bis August 2000)

Früher berichtete ich allen Spendern und Interessenten in individuellen Briefen.
Irgendwann verbrachte ich mehr Zeit mit dem Berichten und Schreiben als mit den Kindern, den Ärzten und den Lehrern. - Und Spender warteten monatelang auf Dank; und Interessenten auf Informationen.

Erstmals 1997 machte ich ein "Rundschreiben" an alle. Und daraus hat sich inzwischen eine Tradition von recht umfangreichen Jahresberichten entwickelt, die ich jedes Jahr etwa Ende September verschicke.

Das folgende ist der letzte Jahresbericht. - An seinem Ende findet Ihr Links zu Aktualisierungen vom Januar und April 2001. (Und links in der roten box den Link zu den jeweils aktuellsten Informationen.)

Ab Ende September 2001 gibt es dann einen kompletten neuen Bericht.
 

Jürgen Dahm vor seinem Notebook sitzend.
Mai 2000 im Hotel auf Bali.

von Jürgen Dahm

im September 2000

e-mail: kontakt@j-dahm-stiftung.de

"Wer die Welt nicht von Kind auf gewohnt
wäre, müßte über ihr den Verstand verlieren.
Das Wunder eines einzigen Baumes
würde genügen, ihn zu vernichten."

(Christian Morgenstern)


Hier stand ursprünglich eine individuelle Anrede,
Antwort auf frühere Briefe, o.ä.

 

Schon wieder ist ein Jahr vergangen, seit ich das letzte Mal ausführlich berichtete. Und wieder einmal will ich Dir erzählen, was ich in der Zeit tat, was sich ereignet hat. - Und wieder einmal gelingt es mir nicht, all dies auf wenige Seiten zu komprimieren: Mein eigenes Tagebuch über die Auslandsaufenthalte der letzten 12 Monate ist (wenn ich es denn ausdrucken würde) 155 Seiten lang!

Auch diesmal beginne ich diesen Brief mit Dank !!! - - Im Herbst 1999 hatte ich wirklich Angst, ob es "aufgehen" würde: Ich hatte, als ich den Bericht schrieb, bevor ich nach Nepal fuhr, fast alles Geld verbraucht. Die Türkei (nach dem Erdbeben) und Kosovo schrien nach Hilfe und ich war mir nicht sicher, ob mir das Geld für alle eingegangenen Verpflichtungen und alle Pläne ausreichen würde. Doch dann war die Reaktion auf meinen Jahresbericht so überwältigend; ich erhielt im vergangenen Winter (und bis heute noch) mehr Geld als jemals in den Jahren zuvor. Und so konnte ich weiterarbeiten wie geplant, wieder neue Schüler und Schülerinnen aufnehmen und habe sogar noch etwas Reserve.
DANKE !
Doch ich danke nicht nur denen, die finanziell geholfen haben: Manche haben nicht genug Geld oder sind bereits anderweitig engagiert, unterstützen mich aber auf vielfältige Weise. Sei es, daß sie mir Mut zum Weiterarbeiten machen, indem sie mir schreiben oder mich anrufen. Sei es, daß sie neue Interessenten und Sponsoren finden, indem sie von meiner Arbeit erzählen oder Fotokopien dieses Briefes weitergeben. - Inzwischen wurden sogar schon auf Weihnachtsmärkten geflochtene Armbänder und andere Souvenirs aus Nepal verkauft; Schulklassen sammeln Geld für eine Operation; eine Pfadfindergruppe verkaufte äußerst erfolgreich Briefkarten, die die Kinder in Kathmandu gezeichnet hatten !

Nach dem Dank ein paar "organisatorische Entschuldigungen": Du weißt, daß ich diesen Brief einmal für alle Freunde und Helfer schreiben muß, nicht an jeden einzeln schreiben kann:
Falls Du eine/r von denen bist, mit denen ich auch zwischenzeitlich korrespondiert habe, wirst Du einen Teil des folgenden Berichtes vielleicht schon kennen. - Bitte langweile Dich nicht, wenn Du das jetzt noch einmal lesen mußt.
Und wenn Du einer von denen bist, die den Bericht dieses Jahr zum ersten Mal erhalten: Dann könnte es sein, daß Dir manches unverständlich erscheint, weil Du die "Vorgeschichte" zu einzelnen Problemen oder Krankengeschichten nicht kennst, über die ich in den vergangenen Jahren schon erzählte. - Wenn Dich irgend etwas näher interessiert, frage mich bitte: Schreibe oder maile mir oder ruf' mich kurz an.

Nach so viel Einleitung will ich nun endlich beginnen, über die vergangenen zwölf Monate zu berichten. Dabei will ich - damit es den "Stamm-Lesern" nicht irgendwann langweilig wird - diesmal auf die alte Einteilung ("Schulisches", "Medizinisches", usw.) verzichten und Dir von diesem Jahr in chronologischer Reihenfolge erzählen.

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Herbst 1999 (Nepal):

Kurz nachdem ich den Jahresbericht verschickt hatte, flog ich wieder nach Nepal. Mahesh, Mukesh und zwei der in der Nähe des Flughafens wohnende Kinder holten mich ab. - Wir waren noch keine Stunde im Hotel, da waren schon 15 Kinder da.
Doch für die Kinder hatte ich zunächst gar nicht viel Zeit: Schon nach 2 Tagen kam meine erste Gruppe an: Für all die Leute, die mir auf anderen Reisen gesagt hatten "ich kann ja nicht nach Nepal; denn ich kann nicht so weit wandern" hatte ich ein Programm "Nepal ohne Trekking" entwickelt, das sehr gut angenommen wurde: Besichtigungen, Spaziergänge, Taxifahrten, Ausflüge; einige Tage in Pokhara, Nächte in Dhulikhel und Nagarkot; und immer wieder leichte Wanderungen zwischen 30 Minuten und 3-4 Stunden Dauer. Obwohl das Wetter nicht all zu gut war und es häufig regnete, hat es allen so gut gefallen, daß ich dieses Programm gerne für den Herbst 2001 noch einmal anbieten möchte.

Während ich mit dieser Gruppe unterwegs war, machte Mahesh bereits mit der nächsten Gruppe die Ausflüge. Nachdem sie von Pokhara zurückgekommen waren und meine erste Gruppe wieder nach Hause flog, zeigte ich der zweiten Gruppe Kathmandu und die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung.

Mit einem Tretboot auf dem Teich im Zoo.
Mit einem Tretboot auf dem Teich im Zoo.

Hatten wir schon bei der ersten Gruppe auf alle Ausflüge immer einige der Kinder mitgenommen, so war die zweite Gruppe (nur 5 Personen) so Kinder-begeistert, daß oft die Zahl der mitgenommenen Kinder die der Gäste übertraf. Schon vor Reisebeginn hatten sie geplant, einen Tag ganz den Kindern zu widmen. Und so hatten Mahesh und ich nun einiges vorzubereiten: Mit Trommel und Spielsachen und einem ganzen Rucksack voll Verpflegung fuhren wir in einem gecharterten kleinen Bus mit 5 deutschen Erwachsenen und 25 nepalesischen Kindern zu einem Picknick in den Zoo. - Es war nicht nur für die Kinder ein besonderer Tag, sondern auch für die Gruppe ein Erlebnis, das ganz sicher kaum ein anderer Tourist in Nepal erleben darf. Lust auf eine Reise ?

Nach Abreise der Gruppe begann für mich die "andere Art von Arbeit": Zunächst brachte Mukesh mir seine Abrechnungen: Er hatte von April bis in den Oktober fast jeden Freitag 3-4 Stunden im Restaurant des Hotels gesessen, wo die Kinder ihn treffen konnten. An die bis zu 20 Besucher verteilte er Schreibwaren, gab ihnen Geld für Schulgebühren, sammelte die Quittungen für das in der vergangenen Woche mitgegebene Geld ein - und machte Termine für die nächsten Tage, wenn er mit einzelnen Kindern in die Schule oder zum Arzt gehen mußte.
So brachte er mir nun einen ganzen Ordner voller Quittungen und Notizen und Abrechnungen über insgesamt mehr als 100.000 Rupien. (Da diese alle handschriftlich und teilweise sogar in Nepali waren, hatten wir tagelang zu tun, alles zu überprüfen, nachzurechnen und - auf deutsch - in meine Abrechnungen im Computer einzugeben.)
- Ich habe inzwischen eine mail aus Nepal, daß das Programm auch diesen Sommer gut läuft, eher noch besser angenommen wird. Seit April 2000 haben sie bereits etwa 150.000 Rupien (ca. DM 4500,-) verbraucht; - da weißt Du also schon, was ich in den ersten Tagen nach meiner Ankunft in Nepal zu tun haben werde!
Mit den Leistungen der meisten Schüler bin ich sehr zufrieden: Einige brachten bei der Versetzung im Sommer wirklich gute Zeugnisse; einige ließen wir auf bessere (und teurere) Schulen wechseln. Amar* wurde Klassenbester; Kumar* erreichte den 3. Platz. Nur eine Schülerin ist abgesprungen, arbeitet jetzt. - Aber dafür geht Shanti Lama*, von der ich im letzten Jahresbericht so bedauernd berichtete, weil sie mit einem in Japan arbeitenden Nepali verheiratet wurde, weiterhin zur Schule: Sie soll und will mindestens die 10. Klasse abschließen, bevor sie ihrem Mann nach Japan folgt.
(* Alle so markierten Namen sind nicht die wirklichen Namen.)

Straßenkinder im Park, Kathmandu.
Straßenkinder im Park.

Vier Wochen hatte ich Zeit, bevor die nächste Gruppe ankam. Und diese Zeit verbrachte ich überwiegend im Hotel und mit den Kindern (oder für die Kinder außerhalb des Hotels).
Und so sieht dort mein normaler Tagesablauf aus: Meistens wecken mich morgens nach 7 Uhr die ersten Kinder, die schon vor dem Frühstück ins Hotel kommen. Kurz vor 9 Uhr gehen wir in das kleine Restaurant, wo meist recht pünktlich auch alle anderen Kinder zum Frühstück kommen. (Das einheimische Frühstück aus Reis und Gemüse - und immer ein Glas Milch dazu! - hat sich gut bewährt! Nur Samstags gibt es auf Wunsch der Kinder Eier, Brot und Bratkartoffeln.) Die Kinder, die bald zur Schule müssen, dürfen als erste essen; denn in dem kleinen Restaurant haben immer nur 12 Kinder auf einmal Platz. Bis alle Kinder (und auch ich selbst) in bis zu drei Schichten gegessen haben, ist es meist schon etwa 10.30 Uhr. Ich habe inzwischen "Bestellungen" aufgenommen und gehe also meistens anschließend in unser Stamm-Geschäft für Schreibwaren, wo ich alles zum Großhandelspreis kaufen kann. Und danach mindestens jeden zweiten Tag mit einigen Kindern zu unserem "Hausarzt", der im Hinterraum einer kleinen Apotheke praktiziert. Ganz in der Nähe liegen der kleine Park und der große Platz, wo die Straßenkinder leben, die noch nicht zu unseren "Stammkunden" zählen; dort packe ich meine Erste-Hilfe-Ausrüstung aus und wechsele Pflaster, säubere Wunden - und bestelle die Kinder mit tiefen oder verschmutzten Wunden, mit Krätze und anderem, das ich nicht am Straßenrand behandeln kann, ins Hotel oder zu einem Besuch beim Arzt oder ins Krankenhaus.

Je nachdem, wie spät es schon ist, kommt jetzt "meine Zeit": Ich gehe spazieren, in Geschäfte, zu Freunden, zum Friseur, ins Büro der Agentur oder was immer gerade anliegt. - Aber vor 13 Uhr bin ich normalerweise wieder im Hotel: Um diese Zeit öffnen wir (Mahesh hilft mir fast täglich) unsere "Sozialstation". - Früher dürfen die Kinder nicht kommen; aber meistens stehen, wenn ich pünktlich ankomme, schon einige Kinder vor dem Hotel auf der Straße.

Kartenspielen in meinem Zimmer in Kathmandu.
Kartenspielen in meinem Zimmer.

Zunächst kommen all die, die nicht zur Schule gehen: Die nur auf der Straße rumhängen; die noch zu jung sind; und immer mehr auch wieder "echte" Straßenkinder. Wir haben im Zimmer und auf der großen Veranda viele Spielsachen; und da gibt es viel zu beaufsichtigen, oft Streit zu schlichten; wir erklären neue Spiele; oder die alten Spiele den neuen Kindern. Wir machen den Schiedsrichter, spielen selber mit; oder geben Anregungen für neue Spiele ganz ohne Spielsachen. (Mehrere Tage veranstaltete z.B. Mahesh auf der Veranda "faire Ringkämpfe" - kein Schlagen und Treten; vorher "Namaste" (Gruß mit gefalteten Händen) und hinterher Handschlag - was für viele der Kinder eine völlig neue Erfahrung war!)
Alle Kinder wollen pausenlos duschen: Es ist ein in Nepal verbreitetes Vorurteil, daß die Straßenkinder "gerne" schmutzig seien; wenn sie Wasser und Seife haben, duschen sie ausgesprochen gerne! - Und auch das muß beaufsichtigt werden; und um Wasser zu sparen (das in Kathmandu vor allem im Frühjahr meist knapp ist), beschränken wir es und erlauben es jedem Kind nur alle 2-3 Tage.
Und auch hier habe ich meist mehrere Stunden zu tun, um die Kinder gegen Läuse und Krätze zu behandeln, Wunden zu säubern und Pflaster zu wechseln.

Drachensteigen auf der Veranda vor meinem Zimmer (Kathmandu).
Drachensteigen auf der Veranda.

Gegen 14 Uhr gehen wir mit all diesen Kindern zu einem kleinen Mittagessen. Danach verabschieden sich meist einige, die nur für Medizin und Essen kamen. Andere bleiben; und ab 15 Uhr kommen dann bereits all die Schüler und Schülerinnen. Also ist das Zimmer schon wieder voll; und zu den oben geschilderten Aktivitäten kommt jetzt noch Nachhilfe und Hausaufgabenhilfe hinzu. - Bis zum Frühjahr hatte die Zahl der besuchenden Kinder so weit zugenommen, daß ich zwischen 13 Uhr und dem Abendessen zu nichts anderem mehr komme; Computer und Bücher bleiben zu und ich muß mich voll den Kindern widmen.
Gegen 17 Uhr schicken wir die "Nachmittagskinder" nach Hause; es wird ruhiger im Haus. Die "Stammkinder" dürfen bis zum Abendessen bleiben. (Ich muß diese Abgrenzung machen; sonst verkraften wir es nicht mehr. Denn "Nachmittagskinder" das heißt "offenes Haus": Nachmittags darf jeder kommen; Stammkinder dürfen Freunde und Geschwister mitbringen; neue Kinder kommen für Medizin ...; - aber ich kann nicht jede und jeden, der einmal um ein Pflaster bittet, gleich zum "Stammkunden" machen und dreimal täglich zum Essen einladen.)

(Übrigens sind etwa 30% un­se­rer "Schü­ler" Mäd­chen; und etwa 20% der Tages­kin­der. - Aber ich bin zu faul, hier pau­sen­los "/Innen" zu schrei­ben und "jede und jeder" und "der oder die" usw. - Sorry!)

(Leider mußte ich später auch dieses "offene Haus" noch einschränken: Alleine in dem Park gibt es mehr Kinder als wir verkraften können. Dann brachten sie zwei kleine Brüder eines der Park-Kinder mit einer Verletzung mit; und die kamen am nächsten Tag direkt von der Schule und brachten zwei Freunde aus ihrer Nachbarschaft mit .... So mußte ich leider die Regel einführen, daß - von akuten Verletzungen abgesehen - niemand unbekannte Kinder mitbringt, die ich nicht vorher selber draußen getroffen und eingeladen habe. Denn ich kann einfach nicht sämtliche armen Kinder des ganzen Stadtteils versorgen. - Umgekehrt habe ich einige meiner besten derzeitigen Schüler dadurch kennengelernt, daß einer einen verletzten Freund mitbrachte, und der Tage später seinen Bruder und der dann seinen Vetter ... !!!

Einige Kinder beim Reis-Essen (2x täglich; mit Nachschlag).
2x täglich Reis-Essen mit Nachschlag.

Um 19 Uhr gibt's Abendessen im gleichen Restaurant wie das Frühstück; mit Nachschlag so viel sie wollen und bis sie wirklich satt sind. Danach gehen die meisten nach Hause; und täglich abwechselnd einige Kinder mit ins Hotel, die lieber dort übernachten wollen. - Oft trage ich schon Tage im Voraus in eine Liste ein, wer an welchem Tag übernachten darf; denn mehr als 6 Kinder lasse ich in der Regel nicht zu und die Nachfrage ist meist größer. (Das Zimmer wäre wohl groß genug; aber mit zwei Schlafsäcken und einer Steppdecke reicht es nun mal nur für sechs Kinder. - Vielleicht sollte ich mal eine weitere Decke kaufen?)

- Fragst Du Dich, warum die Kinder bei mir im Hotel übernachten? Findest Du das vielleicht gar "seltsam"?
Anfangs konnte ich es oft auch nicht verstehen: Sie schlafen auf dem harten Teppichboden unter einer Decke; duschen könnten sie ja auch nachmittags; und oft sind sie so müde, daß sie nach dem Abendessen sofort schlafengehen - also auch von den Spielsachen nichts mehr haben. - Aber wenn man dann deren "Wohnungen" sieht, schmutzige, feuchte Zimmer von oft nur 8 bis 10 Quadratmetern, in denen eine 5- bis 8-köpfige Familie lebt, dann kann man es schon eher verstehen. (Einer sagte mir mal "Das Zimmer meiner Eltern ist ungefähr so groß wie Dein Badezimmer hier".)
Neben den Kindern, die abwechselnd alle paar Tage mal übernachten dürfen, habe ich immer auch einige, die tagelang oder auch für Wochen täglich im Hotel übernachten: Kinder, die zu Hause "rausgeflogen" sind und die ich aufnehme, damit sie nicht auf der Straße landen; so lange, bis sie sich wieder nach Hause trauen; oder bis ich mit den Eltern sprechen und dafür sorgen kann, daß sie wieder aufgenommen werden; oder bis ich sie in einem Heim unterbringen kann. Straßenkinder mit schwereren Verletzungen nehme ich auf, bis diese abgeheilt sind. (Ein verbrannter Fuß heilt eben weder barfuß im Park; noch wenn er die ganze Nacht in verschwitzten Turnschuhen steckt.) Und dann nehme ich normalerweise fast all die Kinder auf, die wegen Verletzung oder Krankheit Antibiotika in regelmäßigen Abständen (alle 6 oder 8 Stunden) schlucken müssen; da meist die Eltern zu unzuverlässig sind (und ohnehin weder Uhr noch Wecker besitzen), so daß zu Hause die regelmäßige Einnahme der Medikamente nicht gewährleistet ist. (Und ich stehe dann um 6 Uhr früh auf, gebe ihnen die Tabletten und lege mich anschließend wieder schlafen!)
Gelegentlich kommt es auch vor, daß alleinerziehende Mütter auf Pilgerfahrt zu einem auswärtigen Tempel oder für einige Tage in Ihr Heimatdorf zur Familie fahren wollen. Die Kinder mitzunehmen, würde die Kosten dieser Reise vervielfachen; und die Kinder würden mehrere Tage nicht zur Schule gehen. Dann kommen - nach vorheriger Absprache - sogar die Mütter ins Hotel und bringen mir ihre Kinder mitsamt Kleidung zum Wechseln, Schuluniformen, Büchern usw. und die Kinder leben für die Zeit der Reise der Mutter voll im Hotel, gehen vom Hotel aus zur Schule, kommen von der Schule wieder zu uns "nach Hause".

Doch nun will ich noch von einigen "besonderen Ereignissen" des vergangenen Herbstes erzählen:

Von Raju Sharma's* Drüsen-Tuberkulose habe ich Euch ja früher schon erzählt: Im November ging ich mit ihm zu seinem Facharzt: Ich wurde langsam skeptisch und wollte wissen, was los ist; denn ursprünglich (und das ist normal bei Tuberkulose) war von 6-9 Monaten Behandlung die Rede. Doch wir kauften ihm jetzt schon seit 13 (!) Monaten täglich Spritzen und Tabletten. Ich fragte den Arzt ganz klar, ob er vielleicht weitere Untersuchungen oder andere Medikamente brauche. - Doch nun die große freudige Überraschung: Er ist gesund !!! - Und der Arzt sagte mir ganz offen, daß er sich am Anfang gar nicht sicher gewesen sei, ob der überhaupt je wieder ganz gesund werden würde: Durch die früher einmal verschleppte Tuberkulose und die damals abgebrochene Behandlung sei die jetzige Behandlung enorm erschwert worden; und deshalb habe es auch so lange gedauert.
Jetzt soll er erst in 6 Monaten wieder zu einer Nachkontrolle kommen. - Juchhuuuuhhh !

Unabhängig davon war bei ihm auch noch eine tiefe Infektion des Knochens hinter dem einen Ohr festgestellt worden. Der Arzt sagte mir, das müsse mikrochirurgisch operiert werden: Es könne noch jahrelang gut gehen; es könne aber auch in wenigen Monaten geschehen, daß die Infektion nach innen durchbreche und das Gehirn schädige. Die Wartezeiten für eine Operation beim besten Neurochirurgen Nepals sind lang und wir hatten einige Probleme, einen passenden Termin zu bekommen (so daß auch ich in Nepal bin und bei Organisation und Bezahlung helfen kann). - Im Januar 2000 wurde er ohne Probleme erfolgreich operiert.

Ein glücklicher Zufall brachte für mich selbst ein sehr erfreuliches Ergebnis: Der kleine Raju Bhujel* ist (zusammen mit seinem Bruder) in ein Heim aufgenommen worden, von wo aus er jetzt zur Schule geht. Zusammen mit seiner Mutter besuchte ich ihn dort und sprach mit den Erziehern wegen der Operation des Leistenbruchs, die ich eigentlich für diesen Herbst eingeplant hatte: Sie werden sich darum kümmern und das machen lassen. Dieses Heim gehört zur Organisation jenes Franzosen, der mich seit Jahren verdächtigt (und teilweise sogar öffentlich beschuldigte!), auch einer der - leider tatsächlich immer zahlreicher nach Nepal kommenden! - Pädophilen zu sein. Nun lernte ich dort den nepalesischen "Ober-Pädagogen" dieser Organisation kennen. Zunächst war er fast aggressiv abweisend. ("Warum bist Du gekommen?!") Doch dann schien er von meiner Art, mich um die medizinischen Probleme der Kinder zu kümmern (selbst wenn sie nicht mehr bei mir wohnen) und von meinen ausführlichen medizinischen Aufzeichnungen (über jedes Kind - über Jahre hinweg) recht beeindruckt zu sein. Wir vereinbarten ein Treffen, und in einem mehr als zweistündigen Gespräch diskutierten wir sachlich, später fast freundschaftlich mein Engagement für die Kinder, meine Motive, meine Geldquellen, dann auch über pädagogische Probleme und einzelne Kinder ...
Der französische Leiter dieser Organisation zeigt zwar immer noch kein Interesse daran, mich einmal zu treffen. Aber ich kann davon ausgehen, daß sein Mitarbeiter ihm sachlich berichtet hat und die lästigen, peinlichen und gefährlichen (aber unbegründeten) Verdächtigungen von dieser Seite nun endlich ein Ende haben.

Einer der beiden im Text erwähnten kleinen Jungen

Einer der beiden im Text erwähnten kleinen Jungen

Zwei noch ganz kleine Kinder (etwa 7-10 Jahre alt), die auf der Straße lebten, als ich im September in Nepal ankam, wurden bald zu Stammgästen bei uns im Hotel. Es war so offensichtlich, daß sie keine Straßenkinder sein wollten. (Sie "klebten" Tag und Nacht an Mahesh oder mir und gingen fast nie alleine weg.) Aber es gelang mir nicht, zu den wirklich "nutzlosen" Eltern eine Beziehung aufzubauen, die es erlaubt hätte, daß die Kinder nach meiner Abreise wieder dort wohnen.
Glücklicherweise konnte ich beide in einem Heim unterbringen: Der Kleinere lebte von November bis Januar dort; in dieser Zeit konnten die dortigen Sozialarbeiter seinen Vater überzeugen, sich doch wieder um ihn zu kümmern. So lebte er im Frühjahr wieder beim Vater und kam, wenn dieser zur Arbeit ging, zu uns zu Besuch. Der Größere zog in das Heim um, als ich im Dezember nach Deutschland flog. Bis März wohnte er immer noch dort; - aber eine endgültige Lösung haben wir für ihn noch nicht gefunden: Der Vater säuft und prügelt; die Mutter ist (weil der Vater auch sie verprügelte) Aktuellste Infos zu diesem Thema.zu ihrer Familie in irgendeinem Dorf abgehauen; - und dieses Heim ist keine Dauerlösung sondern nimmt Kinder nur für einige Monate auf, um sie in die Familie zu re-integrieren oder sie in einem anderen Heim endgültig unterzubringen.

Ein inzwischen Vierzehnjähriger, der eine kleine, nicht eilige, aber auch nicht zu vermeidende Operation brauchte, war schon seit Herbst 1998 "verschwunden", weil er Angst vor der Operation hatte: Er kam nicht mehr; und wenn er mich auf der Straße sah, lief er weg. - Doch nun hatte er selbst eingesehen, daß es irgendwann ja doch gemacht werden müsse, kam von sich aus (zusammen mit einem Freund, der ihm Mut machte). Ich ließ die Operation durchführen; es lief alles problemlos.
 

Der Junge mit dem verbrannten Daumen der linken Hand.
Der Junge mit dem verbrannten
Daumen der linken Hand.

Ein interessantes - und mich wieder einmal erstaunendes - Erlebnis hatte ich im November. Und da so etwas schon häufiger vorkam, will ich es Dir hier kurz schildern:
Ein zwölfjähriger, im Park lebender Junge hatte sich mit einem Knallkörper den Daumen verbrannt. Bis ich davon erfuhr, war die Wunde teilweise vereitert; an anderen Stellen war die trockene Haut verklebt. Das erste Säubern der Wunde war eine ziemliche Qual. Danach säuberte ich täglich die Wunde und wechselte den Verband. Das tat ihm so weh, daß er - obwohl ich ihm ab dem dritten Tag immer vorher eine Schmerztablette gab - jedesmal bitterlich weinte. - Trotzdem kam er jeden Tag pünktlich wieder, um sich wieder den Verband wechseln zu lassen.
Bevor ich mit der Gruppe im November für 8 Tage nach Pokhara und zum Trekking fuhr, vereinbarte ich mit unserem Hausarzt, daß der Junge dort täglich versorgt werde; ich würde hinterher alles bezahlen. - Doch bei meiner Rückkehr nach Kathmandu erzählten die anderen Kinder mir sofort, daß er nie bei dem Arzt war und noch immer mit meinem Verband von vor einer Woche herumlaufe. - Und dann kam er zur üblichen Zeit zu mir und ließ sich wieder den Verband wechseln.
- Und ich notierte mir in meinem Tagebuch "Jedesmal, wenn ich ihm den Verband wechselte, hatte er weinen müssen. Aktuellste Infos zu diesem Thema.Wie kommt er trotzdem auf die Idee, daß es beim Arzt noch mehr weh tut ? Warum läßt er es sich 8 Tage lang nicht machen - aber sobald ich da bin, kommt er freiwillig wieder ? Woher nimmt er das Vertrauen und den Mut ???"

Noch ein Zitat aus dem Tagebuch: "27.11.1999: Früh morgens kamen fast gar keine Kinder ins Hotel - dafür waren wir beim Frühstück zu 35 !!! (Ich glaube, das ist der bisherige Rekord.)"

Und damit komme ich zu einer Frage, die mir oft gestellt wird und die vielleicht auch Dich interessiert: Um wie viele Kinder ich mich zur Zeit kümmere.
Die Antwort: Ich weiß es nicht. - Zu viele Gruppen "überlappen" sich: Viele, denen ich die Schule bezahle, kommen nie ins Hotel oder zum Essen. Zum Essen kommen viele Schüler, aber auch viele andere. Und neben "Stammkunden", die ich seit Jahren kenne, gibt es immer wieder Kinder, die nach einer einzigen Behandlung, oder nach ein paar Wochen; oder auch nach 2-3 Jahren plötzlich spurlos verschwinden. (Oft gehen sie irgendwann eben doch wieder nach Hause zur Familie, zurück aufs Dorf.)
Ich kann Dir aber einige Beispiel-Zahlen nennen, die Dir vielleicht eine Idee geben:
Wenn nicht während des Sommers in Nepal irgend jemand aufgegeben hat, sollte die Zahl der Aktuellste Infos zu diesem Thema. Kinder und Jugendlichen, denen wir zur Zeit die Schule bezahlen, jetzt 69 sein. (Stand Herbst 2000!)
Da ich allen Kindern, die regelmäßig ins Hotel kommen, zweimal jährlich Medizin gegen Würmer gebe, habe ich hieraus einen Anhaltspunkt: Im Frühjahr 2000 kaufte und verbrauchte ich in Nepal 60 Portionen dieser Medizin.
Der Rekord bei einem Abendessen im Frühjahr war 39 Kinder. Und an einem Tag gingen 45 (!) Kinder durchs Hotelzimmer. (Manche kamen nur für Medizin, manche nur für wenige Minuten; andere blieben fast den ganzen Tag; 26 auf einmal gingen zum ersten Mittagessen...)
Ich habe im Sommer alle "aktuellen" Kinder (also ohne die "verschwundenen" und ohne die inzwischen Erwachsenen) in einer Datenbank zusammengefaßt. (Lebenslauf, Familie, Schule, Medizin; bis hin zu den Namen und der Arbeit der Eltern, Heimatdorf, usw. usw.) Dort sind für Indonesien 45 und für Nepal 169 Kinder verzeichnet (Stand Herbst 2000!). - Aber auch diese Zahlen sagen nicht all zu viel: Manche von diesen kommen täglich; andere sehe ich nur 3-4 mal im Jahr, wenn ich die Schule bezahle ...)

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Frühjahr 2000 (Nepal):

Zur Landung in Kathmandu wieder ein Zitat aus meinem Tagebuch: "Vor dem Flughafen erwarteten mich Mahesh und Mukesh, hatten gleich ein Taxi parat; und genau 50 Minuten nach der Landung war ich schon am Hotel.
14 (!) Kinder erwarteten uns, hatten viel zu erzählen, nahmen begeistert ihre Fotos entgegen. - Und im Verlauf der nächsten Stunden kamen noch mehr. - Und es ging gleich voll los: Niroj* hatte eine Wunde an der Hand. Dann kam ein Freund von Raju Sharma*: Der werde morgen operiert; und der Freund hatte eine ganze Liste von Narkose- und anderen Medikamenten, die jetzt gekauft werden mußten. Mukesh lieh mir Geld (da ich noch nicht genug gewechselt hatte); Mahesh fuhr mit zum Einkaufen; ich ging mit den Kindern zum Essen - wo mich Kumar* und sein Bruder mit zwei Amerikanern erwarteten":
Das war für mich mal wieder ein sehr positives Erlebnis:
Kumar Budhathoki* hatte schon mehrmals die Schule aufgegeben; ich würde ihm nicht noch einen weiteren (voraussichtlich wieder erfolglosen) Versuch bezahlen. Nun hatte er diese Amerikaner wiedergetroffen, die schon öfter in Nepal waren und ihm schon früher die Schule finanziert hatten. Und die wollten ihm noch einmal eine Chance geben. Sie hatten mit ihm diskutiert, wo sie am besten das Geld für ihn deponieren könnten. (Eltern, Verwandte; Besitzer eines Hotels oder Restaurants; eigenes Sparbuch; usw.) Und er hatte ihnen vorgeschlagen, mich zu treffen und das Geld durch mich (und Mahesh und Mukesh) verwalten zu lassen. - Und ich wunderte mich wirklich (und wundere mich immer noch!), daß er das tat: Denn er weiß ganz genau wie "kleinlich" ich bin und daß er von mir niemals Aktuellste Infos zu diesem Thema. "Schul-Geld" bekommen wird, um sich z.B. "private" Kleidung zu kaufen, essen zu gehen oder ein Hobby zu finanzieren. Trotzdem hatte er mich für die beste und zuverlässigste Stelle gehalten. - Und scheinbar hatte er (und andere Kinder?) den beiden so positiv über mich berichtet, daß die sich nicht nur trauten, mir nach einem kurzen Gespräch weit über 100 Dollar für ihn zu übergeben, sondern gleich noch einen Betrag drauflegten, den ich für die anderen Kinder verwenden solle.

Ich hatte im Frühjahr keine Gruppe und auch sonst nicht allzu viel zu tun. So widmete ich mich vor allem den Kindern - und dem Computer, in dem ich viel aufzuräumen und nachzuholen hatte. (Und neue Programme und ein paar Spiele probierte ich auch aus.)

Zwei Neuerungen gab es im Winter in Kathmandu, die im Frühjahr auch unsere Arbeit beeinflußten.
Zum einen nahm die Zahl der Straßenkinder in einem kleinen Park an der New Road kontinuierlich zu. War es Zufall, daß hier die "richtigen" Kinder lebten, bei denen es auch anderen gefiel? Oder waren es äußere Einflüsse; wie z.B. die Tatsache, daß die Sehenswürdigkeiten immer besser bewacht werden und die Kinder z.B. rund um den alten Palast kaum noch betteln (und auch nicht spielen oder schlafen) dürfen? Jedenfalls kamen immer mehr Kinder, aus allen möglichen Stadtteilen, und ließen sich hier nieder. Noch Anfang November sagt mein Tagebuch, daß dort nur "wenige, ganz schmutzige Kinder wohnen", denen ich gelegentlich die Wunden sauber mache. Schon im November hatte ich "Stammkunden" dort; z.B. den oben erwähnten Jungen mit dem verbrannten Daumen. - Und der Rest entwickelte sich ganz von selber: Immer mehr Kinder wohnen dort; und wenn sie erst einmal wissen, wo ich wohne, kommen immer mehr auch nachmittags ins Hotel. (Und ich hatte Euch gerade im Bericht des vergangenen Jahres erklärt, daß ich kaum noch mit Straßenkindern zu tun habe; daß fast alle von uns betreuten Kinder zu Hause wohnen! - Das hat sich nun also wieder geändert.)

Das Haus der Park-Kinder.
Das Haus der "Park-Kinder".

Was unter den Straßenkindern eher selten ist: Mehr und mehr verbrachten auch Mädchen ihre Tage in diesem Park (und bei uns!), - die aber glücklicherweise alle abends nach Hause gehen. (Und ich achte - zusammen mit den Sozialarbeitern des "Doktor-Sahib" - s.u. - darauf, daß das auch so bleibt.)
Später entdeckte eine Gruppe dieser Kinder ein leerstehendes Grundstück, von einer hohen Mauer umgeben, mit einem Brunnen und vielen alten Ziegelsteinen. Hier bauten sich etwa 12 Kinder ein "Haus", eine Slum-Hütte aus lose aufgestapelten Ziegelsteinen mit einem Dach aus allen möglichen Brettern, Plastikplanen usw. - Und sie waren sooo stolz darauf!

Die Kinder von der Hütte beim Kochen.
Der Reis ist fast gar.

Sehr interessant zu beobachten war das sich ändernde Sozialverhalten, der immer stärker werdende Zusammenhalt in dieser Gruppe: Für einen "Straßenköter" mit Jungen bauten sie neben dem Haus eine Hütte; sie pflasterten die schlammigen Stellen des Grundstückes und den Platz um den Brunnen in gemeinsamer Arbeit mit übrigen Ziegelsteinen; sie begannen gemeinsam zu kochen; sogar die Kinder, die regelmäßig bei uns essen, nahmen ihr Taschengeld mit, um Reis für die Freunde oder Milch für die Hunde zu kaufen.

Die zweite Neuerung: Plötzlich hörte ich immer öfter vom "Doktor-Sahib"; und langsam fand ich mehr darüber heraus: Ein Arzt hatte zufällig eines Abends auf dem Heimweg von seiner Praxis ein paar Kinder gesehen, die sich am Straßenrand zum Schlafen einrichteten. Eigentlich typisch für die nepalische Mittel- und Oberschicht, daß er nicht gewußt hatte, daß es so etwas gibt; und völlig geschockt war, zu hören, daß diese Kinder noch nichts gegessen hatten. Anschließend war er (so sagt er selber) sehr überrascht, zu erfahren, wie billig man in Kathmandu essen kann, wenn man weiß, wo die billigsten Reis-Kneipen sind.
Daraus hat er ein Projekt gemacht: Jeden Abend kauft er jedem Kind, das dorthin kommt, ein einfaches Reis-Essen. Doch er hat viel mehr als nur das "Füttern" im Sinn: Er hat inzwischen einen Raum gemietet und Sozialarbeiter engagiert und fordert die abends kommenden Kinder auf, morgens dort zur informellen Schule zu kommen. - Sein "Trick": Das Frühstück ist reichlicher als das Abendessen; und das gibt es nur für die Kinder, die zur Schule kommen.
Aktuellste Infos zu diesem Thema. Als ich ihn das erste Mal traf, begrüßte er mich fast wie einen alten Freund: So viel hatten die Kinder schon von mir erzählt. - Und seitdem arbeiten wir immer mehr zusammen; wir informieren uns gegenseitig über medizinische und andere Probleme einzelner Kinder; ich erlaube "seinen" Kindern nicht, zu uns zum Frühstück zu kommen (wenn sie bei ihm in der Schule sein sollten); und "meine" Kinder (sofern sie nicht in eine reguläre Schule gehen) schicke ich früh morgens zu ihm zum Unterricht. (Das bedeutet für mich u.a., daß ich seit Februar jeden morgen vor 7 Uhr aufstehe, um die Kinder, die im Hotel übernachteten, zum Unterricht zu schicken!)
Einmal war ich "richtig stolz" - entschuldige, wenn ich damit "angebe": Der Herr Doktor selbst besuchte mich im Hotel, um mich um Hilfe zu bitten: "Die Kinder vertrauen Ihnen dermaßen und haben einen solchen Respekt vor Ihnen..." daß er mich bitten möchte, ihm zu helfen, den Kindern klarzumachen, wie wichtig das Lernen ist. - Und das scheint inzwischen ganz gut zu funktionieren: Wir hatten in der Folgezeit Tage, an denen alle Park-Kinder beim Doktor in den Unterricht gingen!
- An einem anderen Tag war mir die "Verehrung" der Kinder dann aber doch peinlich. - Aber da es auch lustig war - und ich mich im Endeffekt doch sehr darüber freute, will ich noch einmal mein Tagebuch zitieren:
"Saraswati-Feiertag: Für diese Göttin des Lernens gibt es in allen Schulen entweder einen freien Tag oder irgendwelche Feiern und Zeremonien. Auf der Suche nach einem Kind, mit dem ich hatte zum Arzt gehen wollen, ging ich (zum ersten Mal) in diese "Schule"; ein halb-offener Raum in einem Tempel-Hof. Zunächst sah ich nur viele erwachsene Leute; einige Touristen und - wie ich später erfuhr - Lehrer, Mitarbeiter, Redakteure des privaten Radios, und, und, .... Und dann sahen mich die ersten Kinder, an die vorne gerade Kleidung und Geschenke verteilt worden waren: Mit großem Geschrei stürzten fast alle sich quer durch den Saal und an allen Ehrengästen vorbei auf mich, um mich zu begrüßen, mir ihre neue Kleidung zu zeigen, mir neue Wunden vorzuführen und mich um Medizin und Pflaster zu bitten .... Die Veranstaltung war zunächst unterbrochen; und mir war das alles sehr peinlich. - Ich schickte die Kinder zurück nach vorne, wo sie noch sangen und tanzten; und entschuldigte mich später beim Dokter und jedem anderen für die Störung und Unterbrechung ihrer Veranstaltung."

Neben der Beschäftigung mit den Kindern arbeitete ich auch ein bißchen: Der Polyglott-Reiseführer stand für die Neuauflage an (die seit August in den Buchhandlungen ist). Ich las ihn mehrmals durch auf der Suche nach Fehlern und Unstimmigkeiten; und ich überprüfte jede einzelne Telefon- und Fax-Nummer, besuchte Hotels und Restaurants, erfragte neue mail-Adressen, Preise und Öffnungszeiten.

Trotz dieser Arbeit hatte ich es mir sechs Wochen lang sehr gemütlich gemacht, hatte mir noch viel Arbeit für die letzten zwei Wochen "aufgespart". - Und dann wurde ich krank!
Kannst Du es glauben: Ich bekam die Windpocken! Ich hatte sie als Kind nicht gehabt; und nun erwischten sie mich voll. - Kannst Du Dir vorstellen, daß ich (ausgerechnet ich!) in "Quarantäne" ging und tagelang keinem Kind erlaubte, ins Zimmer oder in meine Nähe zu kommen?! Erst nach und nach erfuhren einige Kinder von ihren Müttern, daß sie schon Windpocken gehabt hatten: Die durften dann wieder kommen; alle anderen spielten auf der Dachterrasse; und Mahesh ging mit ihnen zum Essen.
(Ganz toll fand ich, wie rührend die Kinder sich dabei um mich kümmerten. Immer wieder brachten sie - vom eigenen Geld gekauft oder von der Mutter frisch zubereitet - leckere und "gesund-machende" Sachen wie Ovomaltine, frischen Saft, frisch gekochten Reispudding und anderes!)

Die zehn Tage Krankheit warfen mich völlig zurück. Alles, was ich noch hatte erledigen wollen, mußte ich nun in den letzten drei Tagen tun; - und vieles blieb unerledigt.

Was aber nicht unerledigt blieb: Die Planung für den Sommer, in dem Mahesh und Mukesh für die Kinder sorgen müssen - inklusive der Versetzungen und der Anmeldungen einiger neuer Schüler und Schülerinnen, die wir wieder zusätzlich in unser Förderprogramm aufnahmen: Aktuellste Infos zu diesem Thema.Geplant haben wir für diesen Sommer maximal sechs Neue; ich weiß aber noch nicht, ob es bei allen geklappt hat. - Unter anderem einen 15jährigen mit Verdacht auf Muskel-Dystrophie (unheilbar; die Beine werden immer schwächer werden); ein Mädchen - das ich noch gar nicht persönlich kennenlernte, die aber mit einem Notendurchschnitt von 80% der möglichen Punkte überdurchschnittlich gut lernt; und endlich Hiras* Schwester Kumari*, von der ich noch im letzten Rundbrief schrieb, daß die Mutter ihr leider den Schulbesuch nicht erlaubt..

Schön war es in diesem Zusammenhang zu sehen, daß unsere Bemühungen um die Schulbildung ganz konkrete Erfolge zeigen: Mukesh, der inzwischen zum zweiten Buchhalter des Großmarktes aufgestiegen ist, hatte einen befristeten "Sonder-Job": Eine Woche lang jede Nacht statistische Auswertungen am Computer. Und da freute ich mich, zu sehen, wie viel Unterschied die Schulbildung macht: Raj Kumar Nepali (der einst die Schule nach einem Jahr aufgegeben hatte) ist jetzt Hilfsarbeiter in einem Hotel - und bekommt ein Gehalt von 1450,- Rs. pro Monat; Mukesh aber (der 12 Jahre gelernt hat) bekommt für jede 8-Stunden-Nachtschicht 400 Rupies bar auf die Hand, wird also mit der einen Woche Streß fast so viel verdienen wie Raj Kumar mit zwei Monaten Arbeit !


Leider hatte ich auch zwei Schicksalsschläge zu verkraften: Zwei unserer ehemaligen, inzwischen erwachsenen Kinder gerieten in Thamel unter Drogen in Streit. Rajendra Ghimire* zertrümmerte Sriram Lohani mit einem Ziegelstein den Kopf. Nun wird Rajendra polizeilich gesucht, ist auf der Flucht; man vermutet, daß er nach Indien ging. Sriram verstarb wenig später in der Notaufnahme des Krankenhauses. Ich kannte ihn seit 1993! Und viele von Euch haben ihn kennengelernt: Er war auf vielen Treks mitgegangen, zuerst als begleitendes Kind, später als Träger, dann sogar als Hilfsguide. Wir wollten ihn zum Guide ausbilden, einige Gäste finanzierten ihm sogar ein Zimmer und einen Englischkurs. Doch dann gab er auf, ging lieber zurück aufs Dorf zu seinen Eltern - und ich war sehr froh darüber! - - Erst seit Dezember war er wieder in Kathmandu.
(Interessant war, daß in den Tagen nach diesem schockierenden Ereignis fast alle ehemaligen Kinder, die als Erwachsene, oft Verheiratete in Thamel oder in ihren Dörfern leben; die ich oft Monate und teilweise Jahre nicht gesehen hatten, mehrmals zu mir zu Besuch kamen. In langen Gesprächen erinnerten wir uns an frühere Zeiten - und trösteten uns gegenseitig.)
Arjun Ranjit*, der etwa zehnjährige Mittlere von drei Brüdern, denen eine Italienerin seit einiger Zeit ein gutes Internat bezahlte (vor 2 Jahren war ein Foto im Jahresbericht von seinem von Krätze infizierten Rücken, den ich wochenlang täglich behandelte), bekam Fieber. Die Schule brachte ihn zum Arzt, behandelte mit den verschriebenen Antibiotika. Später wurde er in das sehr gute Patan Hospital aufgenommen - und verstarb innerhalb weniger Tage an Hirnhautentzündung

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Sommer 2000 (Indonesien):

Es hatte geklappt!: Ich hatte aufgrund von Amirs Empfehlungsschreiben und meiner Aktivitäten für die Kinder ein Sozial-Visum für Indonesien bekommen! Ich bin also "kein Tourist mehr"; ich muß nicht alle 2 Monate nach Singapur fliegen, um mit einem neuen Touristen-Stempel für weitere 60 Tage neu einzureisen, sondern ich darf bis zu 6 Monate ununterbrochen im Land bleiben. (Leider konnte ich das dieses Jahr nicht voll ausnutzen; blieb nur 3½ Monate, da ich Ende September schon wieder nach Nepal muß.)

Die fünf Wochen zu Hause hatten mir mal wieder nicht gereicht; die Überarbeitung des Polyglott-Reiseführers hatte ich noch nicht fertig. (Genauso wie mir auch jetzt die 5 Wochen nicht ausreichen: Während ich dies hier schreibe, weiß ich, daß ich in 9 Tagen nach Nepal fliegen werde - und weiß noch nicht, wie ich fertig werden und dies auch noch alles verschicken soll.) So fuhr ich, nachdem ich auf Bali mein dort deponiertes Gepäck erhalten und aussortiert hatte, zuerst einmal nach Candi Dasa und verbrachte in dem ruhigen Ort fast eine Woche mit Schreibarbeiten. - Zugleich besuchte ich von dort aus die Schüler in der Umgebung und holte den demnächst zu operierenden Kadek und seinen Bruder für ein Wochenende zu mir ins Hotel - damit wir uns wieder aneinander gewöhnen und er sich demnächst trauen wird, mit mir zum Arzt und ins Krankenhaus zu fahren.

Kadek 1999, als er 9 Jahre alt war.
Kadek Mardika.
(1999 war er 9 Jahre alt.)

Als ich dann nach Lombok fuhr, war ich auf der Fähre der einzige Ausländer! - 1999 hatte ich auf den alle zwei Stunden fahrenden Fähren bis zu 100 Touristen pro Schiff gezählt. Doch nach den nur drei oder vier Tage andauernden Unruhen im vergangenen Januar kamen nun fast gar keine Touristen mehr nach Lombok. Das hat nicht nur in den Touristenorten verheerende Auswirkungen, wo viele Restaurants geschlossen sind, die meisten Hotels einen großen Teil ihres Personals entlassen haben und fast alle Leute (vom Souvenirhändler bis zum Ausflugs-Boot-Kapitän) arbeitslos und pleite sind. Vielmehr wirkt sich dieses Fehlen der Touristen bis weit nach Süden in die Städte und auf große Teile der Insel aus: Denn auch die Leute, die nicht direkt am Tourismus verdienen, lebten doch indirekt davon, weil sie den vielen Angestellten und Arbeitern der Touristenorte Waren und Leistungen anbieten. Nachdem all die entlassenen Arbeiter in ihre Heimatdörfer (oft sogar auf anderen Inseln) zurückgekehrt waren, standen jetzt hier die zu vermietenden Zimmer leer, waren Restaurants ohne Kundschaft, in denen sonst die einheimischen Arbeiter zu Mittag essen; ja sogar der Friseur, die Marktfrau und die Motorradwerkstatt in der nächsten Stadt hatten viel zu wenig Kunden.
Aktuellste Infos zu diesem Thema. Das wirkte sich ganz direkt auch in dem Dorf aus, in dem ich immer wohne: Fast niemand hatte - außer ein bißchen Fischfang - noch ein Einkommen. Viele Leute essen nur noch einmal am Tag (und dann oft nur Reis; ohne Beilagen); sie haben kein Geld für die Fahrt zur Schule; ich traf Kinder, die seit 6 Monaten ihre Schulgebühren nicht bezahlt hatten. - Ich bestellte Eltern mit ihrem Kind ins Krankenhaus, da ich schon früher in die Stadt mußte und sie dort zur Untersuchung ihres Kindes treffen wollte. Und sie kamen nicht - weil es ihnen im ganzen Umkreis ihres Hauses nicht gelungen war, sich die 50 Pfennig zu leihen, um die Fahrt bis ins Krankenhaus zu bezahlen!
Ein Mädchen war von einem Baum gefallen - und lag mit gebrochenem Ellenbogen schon drei Tage in ihrem Zimmer: Weil man kein Geld hat, um die Behandlung zu bezahlen. // Bis ich sie dann fand und den Arm röntgen und eingipsen ließ... (Alleine Gips und Verband kosteten 165.000,- Rs.; während der Vater etwa 10.000,- am Tag verdient!)

Ein Mädchen aus Lombok.
Sie ist in der Leistungs-
klasse des 8. Schuljahres.

So mußte ich auch mein Schul-Programm wieder modifizieren: Einmal im Jahr die ganze Ausrüstung zu kaufen, reicht einfach nicht mehr, da die Eltern es wirklich nicht schaffen, jeden Tag die Fahrt zur Schule und jeden Monat die Gebühren zu bezahlen.
Drei der Mittelschüler vom vergangenen Sommer hatten die Schule leider aufgegeben: Zwei sagten mir ganz unumwunden, daß sie zu faul waren; der dritte war nach den Unruhen mit seinen Eltern nach Bali ausgewandert.
Dafür habe ich aber 4 neue Kinder aufgenommen: Einen Jungen und zwei Mädchen mit sehr guten Noten; und einen kleinen Behinderten, den wir in der ersten Klasse anmeldeten.

Amir mit Frau und Sohn (14 Monate).
Amir mit Frau und Sohn (14 Monate).

Erfreut war ich, zu erfahren, daß Amirs Ober­schenkel­knochen jetzt endlich zusammengewachsen ist. Das Bein ist zwar nach den vielen Operationen etwas kürzer als das andere, aber kräftig und so stabil, daß er sogar schon wieder Fußball spielt. - Nur gute Arbeit hat er trotz all der Jahre der Ausbildung noch nicht gefunden: Für einen Hotel-Koch ist diese Krisen-Zeit auf Lombok natürlich das schlimmste, was man sich denken kann. So arbeitet er leider immer noch in verschiedenen Hilfsjobs und hat einige Mühe, Frau und Kind ordentlich zu versorgen.

Die Indonesier machten mir mal wieder einen Strich durch all meine Planungen: Normalerweise sind die Versetzungsprüfungen um den 10. Juni; doch dieses Jahr waren Zeugnisausgabe und Ferienbeginn auf den 3. Juli verschoben worden. So hatte ich fast zwei Monate lang sehr viel Zeit; spielte mit den Kindern, machte Ausflüge, ging schwimmen, las viel - und räumte mal wieder meinen Computer auf: Über Jahre hatten sich sowohl Informationen zu all den Kindern als auch die beruflichen Informationen wie Hoteladressen u.a. in so vielen verschiedenen Dateien angesammelt. (Durch die Arbeit für Wikinger, für den Reiseführer, für meine eigenen Gruppen hatte ich unter Umständen für ein Hotel 5 verschiedene Telefonnummern an verschiedenen Stellen notiert.) So verbrachte ich Tage (und Nächte!) damit, den Umgang mit einer Datenbank zu erlernen und erfaßte dann alle Hotels, Restaurants, Agenturen usw; aber auch alle Kinder, Ärzte, Krankenhäuser, Heime und Hilfsorganisationen. - Außerdem ging ich meine viel zu vielen CDs durch und probierte Programme und Spiele, die ich noch nicht kannte.

Ein Mädchen aus Lombok.
Sie kam mit 13 1/2 Jah-
ren in die 7. Klasse.

Während dieser Zeit holte ich auch den 1997 operierten Budiamin zu den jährlichen Nachuntersuchungen: Nun gilt seine Knochentuberkulose als endgültig geheilt; Röntgenbild und alle Werte waren so gut, daß wir ab sofort keine Kontrolluntersuchungen mehr machen müssen.

So schön und angenehm diese Wochen waren, so nervös wurde ich doch mit der immer weiter verstreichenden Zeit: Ich hatte ja auf Bali noch zwei größere Operationen vor, konnte aber nicht abreisen, bevor ich hier nicht die Zeugnisse gesehen hatte und die Kinder für das neue Schuljahr anmelden und ausrüsten konnte.
Die Woche nach der Zeugnisausgabe war voller Arbeit. Ich kaufte hunderte von Heften, Bleistifte im Großhandel, Bücher in Paketen so groß und schwer, daß ich sie auf dem Motorrad kaum transportieren konnte. Mit jedem Kind fuhr ich einmal in die Stadt, um die neuen Schuluniformen zu kaufen. - Und nachmittags mußte ich alles verteilen; und abends alles abrechnen.

Und dann fuhr ich endlich nach Bali: Suhaimis* Hypospadie sollte zum zweiten Mal operiert werden; und ich wollte mit der ersten Operation des inzwischen zehnjährigen Kadek beginnen, den ich Euch letztes Jahr auf der Rückseite des Rundbriefes erstmals vorstellte.
Der 13.7. brachte dann erst einmal eine große Überraschung: Suhaimi hatte schon seit 10 Tagen als Vorbereitung auf die Operation regelmäßig Vitaminsaft getrunken, hatte noch gestern Abend selber ausgewählt, welche Spielsachen wir mit nach Bali nehmen sollten. - Und nun stand er heulend und sich an seine Mutter klammernd vor der Fähre - und fuhr nicht mit! Ich konnte es nicht fassen, nicht glauben. Und die Schuld gebe ich den Eltern, die ihn nicht richtig vorbereiteten, und der Mutter, die ihn in dem Moment streichelnd festhielt, anstatt ihm zu helfen, sich abzulösen.
- Letztes Jahr hätte ich verstanden, daß er sich nicht traut, in die Ungewißheit zu fahren; alleine das Essen auf Bali ist für einen strenggläubigen Moslem ein Abenteuer und eine "Gefahr". Aber jetzt, da er schon älter war, da er jedes Hotel und Restaurant kennt, da er das Krankenhaus und die Schwestern kennt; da er mit Kadek und Wayan befreundet ist und sich gut mit diesen balinesischen Kindern versteht: Jetzt fällt es wirklich schwer zu verstehen, daß er sich nicht lösen konnte.

Kadek und sein Bruder im Krankenhaus.
Kadek und sein Bruder im Krankenhaus.

(Für ihn ist es schade; aber für mich ist es kein Problem: Da ich für Kadeks weitere Operationen mindestens die nächsten drei Jahre immer einige Zeit auf Bali verbringen werde, ist es mir egal, wann ich Suhaimi mitnehme und ihn operieren lasse.)
So fuhr ich also alleine nach Bali, holte Kadek und seinen zwölfjährigen Bruder Wayan ab, der als Helfer für mich und als Spielkamerad für seinen Bruder die Zeit der Behandlung mit uns verbringen wird.
Die Voruntersuchungen in Denpasar machte ich alleine mit den Kindern; doch am Tag vor der Aufnahme ins Krankenhaus kam dann wie verabredet auch der Vater zu uns in die Stadt. So mußte ich nicht im Krankenhaus wohnen, blieb im Hotel. Der Vater wohnte beim Patienten und ich verbrachte nur die Tage im Krankenhaus.

Kadeks rechte Hand vor der Operation: Mittlerer und Kleiner Finger sind zusammengewachsen; vom Ringfinger gibt es nur den Nagel.
Kadeks rechte Hand vor der Operation.

Dieses Jahr haben wir nur die einfachste der Operationen gemacht - die aber Kadek selber die Wichtigste war: An der rechten Hand wurde der Nagel des Ringfingers (zu dem es keinen Knochen gibt) entfernt und die beiden zusammengewachsenen Finger (Mittel- und Kleiner Finger) getrennt. Zwei Stunden war Kadek im OP; der Orthopäde arbeitete sehr fein, fast wie ein plastischer Chirurg, setzte Dutzende haarfeiner Nähte.
Zwei Tage nach der Operation wurde steril im OP der Verband gewechselt; der Arzt war zufrieden und wir durften "nach Hause". Der Vater fuhr zurück in sein Dorf und die Kinder zogen wieder zu mir ins Hotel.

Kadek, als ich ihn das letzte Mal besuchte: In der Tür ihres Hauses stehend zeigt er die getrennten Finger mit den noch nicht ganz verheilten Wunden.
Kadek, als ich ihn das letzte Mal besuchte.

Sechs Tage später gingen wir zur ersten Nachuntersuchung - und hatten im Stillen gehofft, daß (8 Tage nach der Operation) schon die Nähte gezogen würden und wir am nächsten Tag abfahren könnten. Aber die Hand heilt langsamer als erwartet. Heute wurden nur einige Nähte gezogen - und bis auch die letzten entfernt werden konnten, mußten wir noch ein ganze Woche warten.
Am 6. August brachte ich ihn nach Hause. Ich hatte in der Stadt das teure Verbandmaterial gekauft, mit dem die örtliche Gesundheitsstation die weitere Versorgung machen kann.
Aktuellste Infos zu diesem Thema. Sofort anschließend fuhr ich nach Lombok, wo mir nur noch eine Woche (d.h. eigentlich nur 5 Arbeitstage) blieben, um für die dortigen Kinder alles abzuschließen, letzte Einkäufe zu tätigen, Schulgebühren zu zahlen, deren Höhe im Juli noch nicht festgestanden hatte, Geld auf den Sparbüchern zu deponieren, ...
Am Wochenende packte ich, verabschiedete mich überall. Montag mit der Fähre nach Bali und gleich weiter zu Kadek: Die Hand war immer noch nicht ganz abgeheilt, aber die Wunden waren sauber und trocken und offensichtlich gut versorgt.
Mir blieben noch zwei Tage, um restliche Schüler, ehemalige Patienten und einige Freunde zu besuchen und mein ganzes Gepäck zu sortieren und eine große Reisetasche bei Freunden zu deponieren.
Am 17. August flog ich zurück nach Deutschland.

Leider war Indonesien dieses Jahr recht teuer: Die Preise steigen immer weiter. Umgekehrt erholt sich die Wirtschaft und die Indonesische Rupie: Trotz des immer teurer werdenden Dollars, gab es doch fast wöchentlich für diesen Dollar immer weniger Rupien. Jede Million Rupien kostete mich im August dieses Jahres DM 256,-; während sie noch vor zwei Jahren nur 150,- Mark kostete. - Ich gab für die Kinder etwa 23 Millionen aus; und jede Million kostete mich über 100 Mark mehr als vor zwei Jahren !!!

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Noch ein Enkel(in): Nyoman Kums Frau und Tochter. (Bali)
Noch ein Enkel(in): Nyoman
Kums Frau und Tochter. (Bali)

Raj Kumar Nepalis Hochzeit. (Er im dunklen Anzug mit traditioneller Mütze und Schmuck; Sie im rot-goldenen Sari mit Schleier.)
Raj Kumar Nepalis Hochzeit.

Nun habe ich Dir im Vergleich zu den Vorjahren sehr wenig über einzelne Kinder erzählt; und sehr wenig "Aufzählungen". (Wie viele Schüler; wie oft zu Ärzten; usw.) Dafür hast Du mehr über den "Ablauf" erfahren - und vielleicht auch etwas mehr über mich.
Vielleicht fandest Du es interessant, einmal auf diese Weise über mein Jahr zu erfahren. - Und vielleicht werde ich in den nächsten Jahren zwischen diesen beiden "Stilen" des Jahresberichtes abwechseln. (?)

Eines möchte ich zusammenfassend für dieses Jahr noch erwähnen: 1999 erzählte ich stolz von "meinem ersten Enkel": Inzwischen haben so viele ehemalige Kinder geheiratet und selber Kinder bekommen, daß ich gar nicht mehr alle aufzählen will. - Und weitere werden kommen: Im Februar heiratete Aktuellste Infos zu diesem Thema.Raj Kumar Nepali ein Mädchen aus seinem Heimatdorf, das mir sehr gut zu ihm und zu seiner Familie zu passen scheint. Ich half ihm bei der Finanzierung des Festes und durfte auch an allen Zeremonien und Feiern teilnehmen. Und gerade jetzt im August heiratete Mahesh. (Schade, daß ich nicht dabei sein konnte; aber der Termin wurde astrologisch berechnet und ziemlich kurzfristig festgesetzt.)


Wie es weitergehen wird: Am 22. September fliege ich wieder nach Nepal. Erst im November habe ich zwei Gruppen; eine werde ich selber leiten und die andere leitet Mahesh. Vom 15. Dezember bis 19. Januar werde ich in Mannheim sein; dann wieder in Nepal.

Falls Du gerne mal wieder mit mir eine Reise unternehmen (und einige der Kinder vielleicht auch vor Ort selbst kennenlernen) möchtest: Hier findest Du weitere Informationen.

Für Mai plane ich für Indonesien eine dreiwöchige Aktuellste Infos zu diesem Thema.Rundreise über drei Inseln. Danach werde ich wieder nach Lombok gehen - und dann ziemlich bald wieder nach Bali: Denn nächstes Jahr will ich Kadeks rechten Fuß umdrehen lassen. (Der Arzt rechnet mit 2 Wochen Krankenhaus, dann 1½ bis 2 Monate Gips; dann Spezialschuhe und Physiotherapie.)
Meinen Heimflug habe ich im Moment für den 24. August gebucht, um Ende September wieder nach Nepal zu gehen. - Aber bis dahin hast Du ja schon wieder den nächsten Bericht erhalten.


Zum Abschluß muß ich Dich wieder mit "Organisatorischem" langweilen:

Zum einen möchte ich Dir sehr empfehlen, Dir Zugang zu E-mail zu verschaffen: Es ist die genial-billigste Art, mit irgend jemandem zu korrespondieren. Ein Brief kostet Bruchteile von Pfennigen und kommt schnell und sicher an.
Vor allem aber: Ich kann Dich auch zwischendurch von unterwegs informieren - und inzwischen sogar "life"-Fotos mitschicken! - Das bisher "extremste" Beispiel dazu: Nach der Operation von Kadek schickte ich einen Bericht und fünf kleine Fotos vom Krankenhausbett an etwa 50 Empfänger - und zahlte dafür insgesamt etwa eine Mark. - Das ist per Post natürlich unmöglich. Wer keine E-mail hat, bekommt daher leider nur gelegentlich einen Brief und einmal im Jahr diesen Bericht.
(Meine mail-Adresse findest Du oben im Briefkopf.)

Zum anderen möchte ich - sofern Du so etwas besitzt - um Deine Fax-Nummer bitten. Ich habe zwar nicht die Möglichkeit, Faxe zu empfangen; kann aber welche versenden. - Und damit kostet ein kurzer Brief eben nur ein paar Pfennig Telefongebühr anstatt jedesmal DM 1,10 Porto.


Und damit will ich nun so langsam schließen.
Wenn Du noch Fragen hast, schreib' mir oder ruf' mich an.

Entschuldige, daß dieser Brief sooo lang wurde !!! - Ich hoffe, ich habe Dich nicht gelangweilt?

Wenn Du helfen kannst und willst, daß ich so weiterarbeiten kann wie bisher (oder noch mehr): Dann notiere Dir bitte meine Kontonummer:

Wieder einmal danke ich allen für das mir entgegengebrachte Vertrauen !
- Und falls irgend jemand denken sollte, "Vertrauen ist gut; Kontrolle ist besser": Ihr könnt sicher sein, daß ich über jeden Pfennig genau buchführe, daß ich über größere Beträge alle Quittungen aufbewahre. - Und wenn jemand gerne Abrechnungen sehen möchte, so kann ich Euch jederzeit welche ausdrucken.

Neu seit 1. Oktober 2001:
Konto Nr. 3409 567 1
bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord;
BLZ 670 505 05

Danke !!!

Und wieder einmal muß ich erklären: Ich freue mich auch über Post (mail, usw. ...), wenn kein Scheck beiliegt ! - Wenn ich nur höre, daß Dich meine Arbeit noch interessiert und Du diese Informationen weiterhin erhalten möchtest.

Damit sage ich wieder einmal Tschüüüßßßß


Jürgen Dahm

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Ergänzungen:

Bericht vom Januar 2001 (Sept. - Dez. 2000)          Kurzer Bericht vom April (Dez. 2000 - März 2001)
 


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